© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Kein Anschluß unter dieser Nummer
Dortmund: Mit dem Verbot von Demonstrationen und eines Antifa-Camps rüstet sich die Stadt für den von Rechtsextremisten geplanten „Antikriegstag“
Henning Hoffgaard

Demonstration verboten“, „Spontanversammlung aufgelöst“, „Weitere Versammlung verboten“. Wer bei solchen Polizeimeldungen an Weißrußland denkt, liegt etwa 1.400 Kilometer daneben. Die Versammlungsverbote sind Teil einer großangelegten Aktion der Stadt Dortmund gegen Rechts- und Linksextremisten. Selbst manch erfahrener Polizeibeamter verliert dabei offenbar den Überblick. Am Montag um 14 Uhr stellt die Polizei ein „Bürger- und Infotelefon“ vor, mit dem über Verkehrsbehinderungen rund um den von sogenannten freien Kameradschaften organisierten „Antikriegstag“ am 1. September informiert werden soll. 90 Minuten später verbietet die Polizei die rechtsextreme Großdemonstration und damit auch den Grund für das Infotelefon.

Das Verbot des „Antikriegstages“ kam nicht überraschend. Die Anmelder der Demonstration bekamen bereits in der vergangenen Woche Besuch von einem Großaufgebot der Polizei, die dutzende Wohnungen von mutmaßlichen Rechtsextremisten im Stadtgebiet durchsuchte. Zugleich wurden die Vereinigung „Nationaler Widerstand Dortmund“ und zwei weitere Kameradschaften verboten und die Vereinsgelder beschlagnahmt. Dabei seien auch Gegenstände gefunden worden, bei denen es sich um Waffen handeln könnte. So recht weiß man es offenbar nicht. Für Aufsehen sorgte dagegen der Fund von etwa 1.000 NPD-Plakaten in einem der Objekte. Trotz der mageren Ausbeute zeigte sich die Polizeiführung zufrieden mit den Ergebnissen. „Wir haben in Dortmund bereits in der Vergangenheit den Rechtsextremisten gezeigt, daß wir ihnen auf den Füßen stehen werden“, sagte Einsatzleiter Ulrich Kuhne.

Mit den Vereinsverboten rechtfertigte Dortmunds Polizeipräsident Norbert Wesseler dann auch das Verbot des „Antikriegstages“, der sich in den vergangenen Jahren zur größten rechtsextremen Demonstration in Westdeutschland entwickelt hatte. Die Teilnehmer zeichnen sich dabei nach Wesselers Meinung durch eine „menschenverachtende, verfassungsfeindliche Gesinnung“ aus. „Wir schöpfen alle rechtlichen Möglichkeiten aus, um verfassungsfeindliche Aufmärsche zu verhindern.“ Eine wichtige Rolle spielt dabei die Gruppe „Kein Raum für Rechtsextreme in Dortmund“.

Was nach einer linksextremen Antifa-Gruppierung klingt, ist in Wirklichkeit eine Sondereinheit der Polizei, mit der die Stadt mit dem Vorurteil aufräumen will, eine rechtsextreme Hochburg zu sein. Treffen die Beamten beispielsweise mehr als zehn mutmaßliche Rechtsextremisten an, werden die Personen unverzüglich mit Platzverboten belegt und dürfen nicht mehr als geschlossene Gruppe durch die Stadt laufen.

Bei Linksextremisten drücken die Behörden dagegen schon mal ein Auge zu. Zwar verbot die Stadt ein als Reaktion auf den „Antikriegstag“ geplantes „Antifa-Camp“, zu dem Dutzende gewaltbereite linksextremistische Organisationen aufgerufen hatten. Die von den Organisatoren vorgesehenen „Bildungsseminare“ wollte die Stadt jedoch nicht ausfallen lassen und bot den Teilnehmern sogar noch städtische Räumlichkeiten als Ausweichmöglichkeit an.

Dabei wissen die Behörden genau, welche Klientel das „Antifa-Camp“ anzieht. Im vergangenen Jahr gab es schwerste Ausschreitungen. 16 Polizisten wurden durch vermummte Autonome verletzt, drei davon schwer. Mehr als 270 Personen wurden festgenommen. Die Polizei warnte auch in diesem Jahr vor 300 wegen Gewalttaten bekannten anreisenden Linksautonomen. Bereits im Vorfeld hatte der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen gegenüber der JUNGEN FREIHEIT angekündigt, das Camp zu beobachten. Vom Verbot der Stadt gaben sich die Linksextremisten unbeeindruckt und verlegten einen Großteil der Veranstaltungen kurzerhand in das nahe gelegene „Autonome Zentrum Mülheim“. Auch Spontandemonstrationen wie ein sogenannter „antifaschistischer Kiezspaziergang“, bei dem Anhänger der linken Szene regelmäßig Bewohner einschüchtern und drangsalieren, sind den Linksextremisten ohne weiteres möglich. Trotzdem sprechen die Camp-Organisatoren von einer „andauernden Sabotage antifaschistischer Proteste in Dortmund“.

Doch endgültig entschieden ist noch nichts: Einen Strich durch die Rechnung könnten der Stadt noch die Gerichte machen. Diese haben in den vergangenen Jahren immer wieder Demonstrationsverbote für Rechtsextremisten gekippt. Sollte das Verwaltungsgericht den „Antikriegstag“ erlauben, wäre es eine peinliche Blamage für Stadt und Polizei.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen