© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Ein gefährliches Experiment
Diskussion um Euro-Abwertung: Fragwürdige Pläne zur Wirtschaftsankurbelung der EU- Südländer
Bernd-Thomas Ramb

Einige Ökonomen propagieren aktuell die gezielte Abwertung des Euro, um die Wirtschaft der desolaten Euro-Südländer anzukurbeln. Die Abwertungsanhänger erhoffen sich damit eine Verbesserung der defizitären Außenhandelsstatistik vor allem von Italien und Spanien, den Großgewichten in der Euro-Problemzone. Aber auch Länder mit Exportüberschüssen, wie Deutschland oder Holland, könnten nach Meinung der Minderheitsexperten von einem fallenden Außenwert des Euro profitieren – eine kaum haltbare These.

Für die handelsdefizitären Südländer ist der Vorteil einer Euro-Abwertung theoretisch durchaus erklärbar. Ihre Waren verbilligen sich für alle Länder, deren Währung dadurch an Kaufkraft gewinnt, und könnten dadurch Umsatzsteigerungen erfahren. Könnten, aber müssen nicht, denn dieser Mechanismus funktioniert nur, solange die Nachfrage nach diesen Waren aufgrund sinkender Preise auch steigt. Ist den Kunden der Preis relativ egal, weil sie die Qualität der Produkte nicht schätzen oder ein Sättigungswert erreicht ist, wird auch ein sinkender Preis zu keiner Verbesserung führen.

Die Nachfrage innerhalb der Euro-Zone kann zudem durch eine Abwertung der gemeinsamen Währung nicht verbessert werden. Ein wichtiges Kriterium für die Wirksamkeit einer Euro-Abwertung zur Exportverbesserung der prekären Staaten ist somit der Umfang der Exporte in die europäischen Länder, die nicht den Euro als Währung haben, sowie in die außereuropäischen Länder. Je kleiner deren Anteil ist, um so geringer sind die potentiellen Effekte.

Ein weiterer Einflußfaktor ist das Ausmaß der Abwertung. Marginale Verschlechterungen des Euro-Außenwertes oder schleichende Abwertungsschritte werden kaum im Tagesgeschäft wahrgenommen. Wirkungsvoller ist eine schockartige und heftige Euro-Herabsetzung, die allerdings auch zu unangenehmen Überreaktionen führen kann. Eine plötzlich verstärkte Nachfrage aus dem Euro-Ausland würde dann zu einem schroffen Rückgang des Handels innerhalb der Euro-Zone oder zu einem Anstieg der entsprechenden Euro-Preise führen.

Die eventuelle Verstärkung der Auslandsnachfrage betrifft nicht nur die Euro-Länder mit negativer Außenhandelsbilanz, sondern auch diejenigen mit bereits bestehenden Exportüberschüssen. Diese werden durch zusätzliche Preisvorteile des Auslands nochmals angehoben. Nicht auszuschließen ist, daß die Wirkung auf die exportstarken Euro-Länder sogar höher ausfällt als bei den exportschwachen.

Ein verbilligter Euro könnte demnach bei der ausgelasteten deutschen Wirtschaft zu einer Überhitzung führen, die sich insbesondere in steigenden Inlandspreisen niederschlägt. Damit würde zwar der Exportüberschuß Deutschlands in die schwachen Euro-Länder gemindert, weil diesen dann die deutschen Preise zu hoch sind, aber auch die Deutschen hätten höhere Preise für ihre eigenen Produkte zu zahlen.

Mögliche Exportvorteile gleich welcher Art sind auf jeden Fall mit Importnachteilen verbunden. Ein schwächerer Euro verteuert die importierten Güter, wie sich aktuell an den steigenden Benzin- und Heizölpreisen unmittelbar erkennen läßt. Entsprechende Reaktionen durch eine Verringerung der Nachfragemengen sind vielfach ausgeschlossen, weil bestimmte Grundmengen einfach benötigt werden. Auch dafür bietet der Ölmarkt ein anschauliches Beispiel. Eine weitgehend starre Nachfrage existiert aber auch in den wirtschaftsschwachen Euro-Ländern. Verpufft die Wirkung der Euro-Abwertung auf eine entsprechende Exporterhöhung, führen die verteuerten Importe zu einer weiteren Verschlechterung in deren Außenhandelsbilanz.

Unterm Strich muß die Idee einer selektiven Wirtschaftsstimulierung durch eine Währungsabwertung somit mit allergrößten Fragezeichen versehen werden. Italien und Spanien, möglicherweise auch Frankreich, helfen zu wollen, indem der Außenwert des Euro verringert wird, kann nur als gefährliches Wirtschaftsexperiment bezeichnet werden. Bestenfalls ist die Wirkung gleich Null, wahrscheinlich aber insgesamt eher negativ.

Unabhängig davon erhebt sich die Frage, wie eine gezielte Wechselkursänderung überhaupt gesteuert werden soll. Gegenüber dem Dollar wie auch anderen für den Export bedeutenden Währungen bestehen keine amtlich festgelegten Wechselkurse. Die Devisen sind frei handelbar. Steuern läßt sich der Euro-Wechselkurs nur indirekt, über Eingriffe in die Währungsmärkte und vor allem über die Emission neuen Euro-Geldes. Letzteres erfolgt im Übermaß durch die Euro-Rettungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB).

Wenn staatliche Schuldverschreibungen der Euro-Krisenstaaten von der EZB aufgekauft, kurzfristige Überziehungsmöglichkeiten in Form von Target2-Krediten zum faktischen Gelddrucken mißbraucht und Banken mit nahezu zinslosen Billionenkrediten überschwemmt werden, führt die Explosion der Euro-Geldmenge zwangsläufig zu einem Verfall des Wechselkurses, allerdings ungesteuert und unkontrollierbar. Die Nachteile erfahren die Deutschen schon jetzt beim Preisanstieg der Importgüter, während die wirtschaftliche Misere der Euro-Krisenstaaten keinerlei Besserungsanzeichen aufweist.

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