© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Alt und neu und ewig
Eine ungewöhnliche Konzertreihe für Orgelmusik endet Anfang September
Sebastian Hennig

Neben den arrivierten Ereignissen an den Festspielhäusern, in Klosterkirchen und Schlössern gibt es auch einige weniger bekannte, aber darum vielleicht um so bemerkenswertere sommerliche Musikfeste. Der 1992 gegründete Dresdener Verein Orgelpunkt veranstaltet alljährlich eine Reihe von Konzerten an Orten, deren Anziehungskraft auch, aber nicht zuerst auf den landschaftlichen Reizen beruht. Mehr noch sind es die Klanglandschaften, die aus den außergewöhnlichen Instrumenten in den Schloß-, Stadt- und Dorfkirchen in Sachsen, Böhmen, Thüringen und Franken hervorzulocken sind.

Getragen wird diese eindrucksvolle Belebung der musikalischen Vergangenheit durch einen treuen Kreis von Komponisten, Kirchenmusikern, Geistlichen und Musikliebhabern. Unter ihnen befinden sich unter anderem als regelmäßige Interpreten und Komponisten der sächsische Landeskirchenmusikdirektor Markus Leidenberger, der tschechische Tastenvirtuose Jaroslav Tůma und der österreichische Messiaen-Schüler Thomas Daniel Schlee.

Die treibende Kraft des Vereins ist mit dem 1960 in Dresden geborenen Komponisten Matthias Weißing ein ebenso fachkundiger wie begeisterter Organisator. Seine persönliche Vorliebe für den konservativen sächsisch-böhmischen Sakralmusiker Jan Dismas Zelenka, den „böhmischen Bach“ und den schlesischen Mystiker Jakob Böhme disponieren ihn hervorragend für die lebendige Erschließung der Klangschönheiten der musikalischen Relikte Mitteldeutschlands. Die Veranstaltungen werden regelmäßig auf eigenproduzierten Tonträgern dokumentiert. Zuletzt ist eine Aufnahme aus der Kirche in Helbigsdorf auf Platte erschienen, die über die Sächsische Posaunenmission Dresden erworben werden kann (www.spm-ev.de).

Unter dem Titel „Silbermann und Posaune“ musizieren der Soloposaunist der Dresdner Philharmonie Olaf Krumpfer und Markus Leidenberger an der historischen Orgel von 1750. Hervorzuheben ist die für eine privat finanzierte Produktion erstaunliche Tonqualität, wodurch sich sowohl die Werke als auch die besonderen Umstände ihrer Aufführung, der Klangcharakter der Instrumente, dem Hörer eindringlich erschließen.

Gottfried Silbermann (1683–1753) war der bedeutendste sächsische Orgelbaumeister der Barockperiode (zusammen mit seinem Bruder Andreas). Die Instrumente in der Dresdner Katholischen Hofkirche, der Frauenkirche und im Freiberger Dom stammten ebenso aus seiner Werkstatt wie zahlreiche kleinere Orgeln in Dorfkirchen und Kleinstädten. In Helbigsdorf wurde die Orgel nach der letzten denkmalpflegerischen Rekonstruierung auf die authentische Silbermann-Sorge-Temperatur gestimmt. Diese Stimmhöhe liegt ungefähr einen Halbton höher als die übliche Orchesterstimmung.

In der Entstehungszeit des Instrumentes stand wohl nicht die optimale Auswertung des gesamten harmonischen Spektrums im Mittelpunkt, sondern vor allem die pragmatische Erwägung, Orgelspiel und Gemeindegesang gleichmäßig zusammenzuführen. Zudem erlaubte die Stimmung einen besonders vollen und reinen Klang, sofern man sich nur auf die optimalen Tonarten beschränkte. Solche Handhabungen erregten aber den Einspruch des wohltemperierenden Johann Sebastian Bach, der freilich Silbermanns Werke außerordentlich schätzte.

Heutige Interpreten stellt ein solches Instrument vor die schwerwiegende Entscheidung, sich entweder mit der Repertoire-Beschränkung abzufinden oder aber aufwendige Transponierungen am Notenmaterial vorzunehmen. Dieser Aufgabe unterzieht sich Matthias Weißing gewissenhaft und ausdauernd und erweitert so das Repertoire der ehrwürdigen Instrumente.

In einem der Schübler-Choräle von Bach übernimmt hier die Posaune den Cantus firmus. So umfaßt das spannungsvolle Programm sowohl Bearbeitungen von Kompositionen Händels, Corellis oder des Lausitzer Organisten Gustav Merkel, neuere Originalkompositionen für Orgel und Posaune von Max Reger, Thomas Daniel Schlee und Weißing selbst als auch Bearbeitungen, die er von einem Opernzwischenspiel Zelenkas herstellte. Für Weißing sind die alten heimischen Orgeln ein Klang-ideal, um das er seine eigenen Partituren organisiert. Heitere tänzerische Piecen von Pergolesi, Händel und Corelli rahmen die Aufnahmen ein.

Nach Konzerten zuletzt in der Martin-Luther-Kirche in Dresden-Neustadt (8. Juni) und in der Kapelle von Schloß Burgk an der Saale (11. August) findet das für dieses Jahr letzte am 9. September in der Dorfkirchen-Variante der Dresdner Frauenkirche in Forchheim statt. In der ebenfalls von dem Barock-Baumeister George Bähr (1666–1738) erbauten und nach ihm benannten Kirche wird Markus Leidenberger mit dem Solotrompeter der Dresdner Staatskapelle Peter Lohse musizieren.

Konzert für Orgel und Trompete: Am 9. September findet das letzte Konzert des Orgelpunkt-Festivals in diesem Jahr an der Silbermann-Orgel der George-Bähr-Kirche in Forchheim statt. Beginn ist um 17 Uhr.

www.kirche-forchheim.de

Foto: Silbermann-Orgel in der Stadtkirche St. Petri im sächsischen Freiberg: Voller und reiner Klang

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