© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Naturgewalt der Geschichte
Ausstellung zu Friedrich II. in Küstrin
Christian Dorn

Als Anfang August 800.000 Jugendliche zu Europas größtem Open-Air-Festival „Haltestelle Woodstock“ nach Küstrin (Kostrzyn) strömten, lauschten sie nicht der Querflöte, eher einer geschichtslosen Gegenwart. Dabei liegt dort, direkt an der Oder, Preußens Pompeji. Einst mächtigste Festung Deutschlands, steht der Name für das Schlüsselereignis in der Deutung von Friedrichs Leben. Vor den Augen des damaligen Kronprinzen wurde hier am 6. November 1730 nach gescheiterter Flucht dessen Freund Hans Hermann von Katte enthauptet.

Im Jubiläumsreigen zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen sticht die Freiluftausstellung „Denk-Zeichen Kostrzyn“ deshalb besonders hervor. Für deren Kurator Christoph Tannert entfaltet sich hier eine „künstlerische Handlung als Purgatorium“. Diese heilsreligiöse Aura erschließt sich dem Besucher mit geradezu gespenstischer Natürlichkeit. Erscheint doch an diesem Ort die Naturgewalt der Geschichte respektive ihrer Auslöschung in Form eines Urwalds, der sich als grüne Grabdecke über den Schloßhof und die einstige Altstadt gelegt hat.

Diesem Umstand trägt die leere Projektionsfläche des Künstlers Via Lewandowsky Rechnung. Der Hauptteil deutscher Denkmäler verweise heute auf eine historische Schuld. Positive Momente zu gestalten, erweise sich „weitaus schwieriger“. Die Bereitschaft der Bevölkerung, „diesen Umstand mit Würde und Demut anzunehmen“, so Lewandowsky, stoße zwangsläufig an ihre Grenzen.

Roland Fuhrmann wiederum macht aus dem stählernen Fahnenmast der Schloßruine eine Sonnenuhr von 300 Jahren Geschichte, die unter anderem an den Kniefall Brandts erinnert, welcher an diesem Ort mit dem Nationalismus des polnischen Museumsleiters korrespondiert. Dessen Sympathien dürften dem polnischen Künstlerduo Urban Art gelten. Dieses läßt polnische Milizionäre auf Adolph Menzels legendäres Bildnis von Friedrich II. mit seiner Querflöte schießen.

Die Ausstellung „Denk-Zeichen“ zu Friedrich II. in der Festung Küstrin ist bis zum 9. September zu sehen. www.bethanien.de

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