© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Konstanten russischer Außenpolitik: „Obervolta mit Atomwaffen“
Putins Reich nicht konkurrenzfähig
(jr)

Die von Historikern wieder heftig diskutierte Frage der Kontinuitäten russischer Politik von Peter I. bis Putin gleicht mitunter der „Kreml-Astrologie“ des Kalten Krieges. Der Wiener Osteuropahistoriker Wolfgang Mueller, der Ordnung in diese Debatte zu bringen versucht (Jahrbücher für die Geschichte Osteuropas, 2/2012), lenkt dabei das Interesse weg von jenen „persistenten Grundlagen“ russischer Außenpolitik, die identisch scheinen mit „unveränderlichem Expansionismus“ und dem Primat militärischer Macht. Daher schätzt Mueller auch die Bedeutung von Ideologien wie des Panslawismus, der leninistischen „Weltrevolution“ oder der unter Putin, dessen Geschichtspolitik sich um bewußte Reintegration sowjetischer Vergangenheit bemühe, geförderten „Weltmachtnostalgie“ gering ein. Konstanten erkennt er eher im ewigen Mißverhältnis zwischen ökonomischen Ressourcen und politisch-militärischen Ambitionen. Hier unterscheide sich das Zarenreich nicht von der späten UdSSR, die seit den 1970ern in den „eigenen Untergang durch chronische Überforderung der ökonomischen Basis“ steuerte. Bis heute laboriert dieses „Obervolta mit Atomwaffen“ (Helmut Schmidt), das zudem die „Informationstechnologierevolution“ verpaßt habe, an diesem Dilemma. So sind etwa nur fünf Prozent der russischen Erzeugnisse in anderen Industrieländern konkurrenzfähig.

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