© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Haltungsnote
Frischzellenkur
Christian Schwiesselmann

Das Leben kommt auf alle Fälle / aus einer Zelle, / doch manchmal endet’s auch – bei Strolchen – / in einer solchen“, reimte Heinz Erhardt in einem launigen Vierzeiler. Deniz S. aus Hamburg-Billstedt steht zwar nicht am Ende seines Lebens, wohl aber hat ihn seine beachtliche kriminelle Karriere einstweilen in eine Zelle geführt.

Der türkischstämmige 16jährige mit dem ellenlangen Vorstrafenregister „sitzt“ erstmals ein – und dies ausgerechnet in der Heimat seiner Vorfahren. Während eines Besuches seiner türkischen Großeltern in Erdemli, berichtete die Bild-Zeitung jüngst, verfielen er und ein gleichaltriger „Kumpel“ offenbar in ihre Hamburger Gewohnheiten und beraubten andere Jugendliche.

Das kam im Lande Atatürks schlecht an: Anders als die laxe deutsche Polizei fackelte die türkische nicht lange und steckte den Intensivtäter, der sich in Deutschland diverser Straftaten wie Raub, gefährliche Körperverletzung und Diebstahl schuldig gemacht hatte, kurzerhand hinter Gitter. Weil auf Raub bei Nacht in Klein-asien zwölf Jahre Gefängnis drohen, versuchte es Deniz S. mit einer klassischen Lamm-Nummer: Er bereue sehr, was passiert sei, ließ seine Mutter ausrichten und schaltete die deutsche Botschaft ein. Das mit der geklauten Kette sollte nur ein Spaß gewesen sein.

„Mama, hol mich hier raus“, flehte der „coole Gangster“ nicht mehr ganz so cool. S., der sonst die gewaltfrei erzogenen „Großstadtkartoffeln“ abzog, befürchtete laut Bild nun selbst von den harten Fäusten der türkischen Mithäftlinge traktiert zu werden. Von der Kuschelpädagogik und Resozialisierungsromantik in heimischen Jugendgefängnissen fehlt in Erdogans Kerker jede Spur: Nur einmal am Tag darf er seine Mutter anrufen und muß dafür bis zu drei Stunden anstehen. Das verspricht eine heilsame Schocktherapie.

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