© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Jeder nach seiner Façon
Frankreich: Der Zwist um die Anerkennung der Homo-Ehe eskaliert / Hollande um Einlösung der Wahlversprechen bemüht
Norbert Breuer-Pyroth

Die Frage amtlichen Segens für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften ist in Frankreich derzeit Anlaß einer heftigen Debatte zwischen dem linken und rechten Lager. So erklärt Marine Le Pen vom Front National (FN) , daß man in einem nächsten Schritt – unter dem Vorwand gleicher Rechte für alle – auch die Polygamie legalisieren könnte.

Ihr Intimfeind Jean-Luc Mélenchon, Chef des linksextremen Front de Gauche, der nicht davor zurückschreckt, Prädident François Hollande als „Tretbootkapitän“ zu charakterisieren, gibt sich ungewohnt nachdenklich: Er sei ja kein besonderer Ehefanatiker, der Wunsch habe ihm somit zunächst ein Lächeln entlockt. Doch die Homosexuellen hätten aus Liebe zueinandergefunden. Dem könne man vernünftigerweise nichts entgegensetzen.

Nachdem der sozialistische Präsident François Mitterrand sich 1981 als Wahlkämpfer für die Abschaffung aller diskriminierenden Gesetze gegen Homosexuelle ausgesprochen hatte, stimmte die französische Nationalversammlung ein Jahr später für die Entkriminalisierung der Homosexualität.

Doch erst im Jahr 1999 – mit der Verabschiedung des „zivilen Solidaritätspakts“ (Pacs) – verlieh Frankreich homosexuellen Paaren auch einen Rechtsstatus. Pacs ist ein Kontrakt, der zwischen zwei Menschen desselben oder aber unterschiedlichen Geschlechts geschlossen werden kann. Obgleich er eigentlich als Plattform für die gesetzliche Anerkennung homosexueller Paare gedacht war, wurden 2010 von den 195.000 Pacs bloß fünf Prozent von solchen Paaren geschlossen. Pacs räumt hetero-wie homosexuellen Paaren zwar einen Rechtsstatus ein, verleiht ihnen jedoch nicht die gleichen Rechte wie bei einer Heirat. Eine solche ist gleichgeschlechtlichen Paaren in Frankreich nach wie vor strikt verwehrt, und selbst im Ausland geschlossene homosexuelle Ehen eines französischen Staatsangehörigen wer-den nicht anerkannt.

In der Debatte um die Homo-Ehe rückt nun jedoch weit mehr die Frage der gleichgeschlechtlichen Elternschaft und deren Recht auf Adoption auf die politische Bühne. An Mariä Himmelfahrt beteten denn auch, auf Initiative der französischen Bischofskonferenz, die Katholiken dafür, daß „Kinder aufhören, Spielball der Begehrlichkeiten und der Konflikte Erwachsener zu sein und statt dessen voll in den Genuß der Liebe eines Vaters und einer Mutter kommen.“

Laut einer im August durch das Institut Ifop geführten Umfrage sprechen sich 65 Prozent der Franzosen für die homosexuelle Ehe aus – so viele wie noch nie zuvor. 1996 waren es 48 Prozent.

Bei der Frage, ob solche Paare Kinder adoptieren dürften, ist die Entwicklung indes gegenläufig – nur 53 Prozent sind dafür, 2011 waren es noch fünf Prozent mehr. Bei den praktizierenden Katholiken, den Wählern der bürgerlichen UMP und des FN sowie bei den über 65jährigen sind die Zustimmungsraten hingegen deutlich niedriger.

Noch 2011 unter Präsident Sarkozy hatte die konservative Mehrheit in der Nationalversammlung einen sozialistischen Vorschlag abgelehnt, nach dem Ehen homosexueller Paare zulässig werden sollten. Der vormalige Justizminister Michel Mercier (UMP) befürchtete dabei, daß dieses Ansinnen „eine große Veränderung der Werte unserer Gesellschaft nach sich ziehen würde“.

Doch wenn auch die Mehrheit der Franzosen einer Öffnung positiv gegenübersteht, so sind die politischen Hauptdarsteller seit Jahren darüber entzweit, welche Rechte homosexuellen Paaren eingeräumt werden sollten. Bei den Zustimmungsraten sollte denn auch berücksichtigt werden, daß sie keineswegs ausdrücken mögen, daß die Mehrheit der Franzosen Sympathie für die „mariage gay“ empfindet. Vielmehr gilt die Maxime „Chacun à sa façon“ (Jeder soll nach seiner Fasson selig werden).

Familienministerin Dominique Bertinotti hat nun angekündigt, die Regierung werde ihr Wahlversprechen zur Homo-Ehe einhalten. Hollande hatte versprochen, er wolle sich für die Öffnung des Rechts auf Eheschließung und Adoption verwenden. Bertinotti will dazu im September einen Gesetzesentwurf vorlegen.

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