© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Wutsturm
Familienpolitik: Die homosexuelle Szene reagiert auf Kritik mit Beleidigungen
Felix Krautkrämer

Katherina Reiche wirkt eingeschüchtert. Man sieht der CDU-Politikerin an, daß die vergangenen Wochen nicht spurlos an ihr vorübergegangen sind. Der Haß, der ihr nach ihrem Plädoyer für Ehe und Familie von Homosexuellen und deren Sympathisanten in Politik und Medien entgegenschlug, dürfte selbst die erfahrene Bundestagsabgeordnete überrascht haben.

„Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.“ Dieser Satz reichte aus, um einen wahren Wutsturm gegen Reiche zu entfachen. Beleidigungen, Drohungen, Beschimpfungen. Die Reaktionen nahmen ein solches Ausmaß an, daß Reiche sich gezwungen sah, ihre Facebook-Seite vom Netz zu nehmen. Zu heftig waren die Pöbeleien. Entsprechend verunsichert sitzt die 39 Jahre alte Mutter dreier Kinder vergangene Woche in der ZDF-Sendung bei Maybrit Illner und versucht zu erklären, daß sie Homosexuelle keinesfalls diskriminieren, sondern lediglich auf den ihrer Ansicht nach berechtigten Schutz der traditionellen Ehe von Mann und Frau aufmerksam machen wollte.

Vergeblich. Nach einer guten halben Stunde resigniert Reiche und appelliert an ihren Diskussionsgegner, den Grünen-Politiker und Schwulenaktivisten Volker Beck, sie respektiere ja seine Lebensform, aber er solle ihr doch wenigstens ihre Meinung lassen – ohne Erfolg.

Es ist die gnadenlose Intoleranz seitens der Homolobby, irgendeine andere Meinung als die eigene zuzulassen, welche die derzeitige Debatte über die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe prägt. Auf diesen Umstand hatte auch der CSU-Politiker Norbert Geis vergangene Woche in einem Kommentar für diese Zeitung aufmerksam gemacht. Eine sachliche Diskussion sei schlicht nicht möglich, klagte Geis.

Mit seiner Kritik hatte der CSU-Politiker in ein Wespennest gestochen. Die Reaktion der homosexuellen Szene ließ nicht lange auf sich warten. Auf queer.de, einem Nachrichtenportal für Schwule und Lesben, überboten sich die Leser in ausfälligen und beleidigenden Attacken auf den Bundestagsabgeordneten. Ob „der alte G(r)eis nicht endlich mal seine demagogische Fresse halten“ könne, war dort zu lesen. Oder die Frage, ob Geis vielleicht selbst „bisexuell oder auch stockschwul“ sei. „Haben Sie den Drang, BHs oder generell Frauenkleider anzuziehen? Oder fühlen sie sich gar von Kindern sexuell angezogen“, wollte ein Kommentator wissen. Ein weiterer Nutzer mit dem Namen „Thon“ bezeichnete Geis als „Klemmschwester“ und forderte ihn auf, „endlich das Maul“ zu halten. Ein anderer Leser wurde noch deutlicher: Geis sei ein „verklemmter kleiner Wichser“, der möglicherweise „Lust auf ‘nen zweiten Schwanz“ habe.

Die Verantwortlichen von queer.de stehen solchen Kommentaren mit gemischten Gefühlen gegenüber: Die Lesermeinungen würden freigeschaltet, wenn sie „nicht zu hart“ seien, erläuterte ein Redakteur des Portals der JUNGEN FREIHEIT. Die Kommentare spiegelten zwar nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider, generell wolle man sie aber nicht bewerten. Allerdings werde kaum ein anderes politisches Anliegen unter Homosexuellen so emotional diskutiert wie ihre rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung, versuchte der queer.de-Redakteur das Verhalten der Leser zu erklären. „Viele Schwule und Lesben haben von der Politik den Eindruck, ‘die da oben’ wollen uns nicht.“ Nach der Anfrage der JF entschied er sich dann aber doch, einige der Kommentare zu löschen.

Der Schweizer Journalist und stellvertretende Chefredakteur der konservativen Zeitschrift Weltwoche, Philipp Gut, rät den Homosexuellen dagegen zu mehr Gelassenheit. Bei Maybrit Illner hatte Gut den Zorn der Schwulen und Lesben auf sich gezogen, weil er die Homo-Ehe als narzißtisch – da das Eigene liebend – bezeichnete. Normal sei für ihn etwas anderes, nämlich sich fortzupflanzen. „Es ist immer wieder erstaunlich, wie verkrampft und aggressiv die Debatte gerade von seiten jener geführt wird, die angeblich Toleranz auf Ihre Fahne geschrieben haben. Es ist kaum ein Thema denkbar, bei dem Abweichungen vom Mainstream mit ähnlichen Beschimpfungsorgien geahndet werden“, sagte Gut der JF. Homosexualität sei zu einer Art Ideologie geworden, die keinen vernünftigen Widerspruch mehr zulasse. Wer das „Hochamt der Schwulengemeinde“ störe, werde exkommuniziert.

Volker Beck, der den Beitrag von queer.de über den Kurznachrichtendienst „Twitter“ empfohlen hatte, wollte sich gegenüber der JF nicht zu den Angriffen auf Geis äußern. Über „Twitter“ teilte er jedoch mit, er lese die Kommentare auf queer.de nicht. Wenn es allerdings darum geht, Leserkommentare auf dem erzkatholischen Nachrichtenportal kreuz.net oder der islamkritischen Seite Politically Incorrect zu skandalisieren, ist Beck weniger nachsichtig. Dann müssen die Leserkommentare schon mal für die angebliche Verfassungsfeindlichkeit der Seiten herhalten.

Geis selbst reagierte gelassen auf die Anfeindungen im Internet. Diese bestätigten nur seine Kritik: „Die Beleidigungen, die als Reaktion auf meinen Kommentar über mich ausgeschüttet worden sind, sind erneut ein Beweis dafür, wie wenig die Szene bereit ist, eine andere Meinung zu respektieren.“

Foto: Kaherina Reiche (l.) und Volker Beck (r.) bei Maybrit Illner (2.v.l.):  Sachliche Diskussion nicht möglich

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