© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Der Häuserkampf
Denkmalschutz: Für unser bauliches Erbe lohnt es sich, gegen modernistische Ideologen und den Amtsschimmel zu streiten
Claus-M. Wolfschlag

Die Liebe der Menschen zu den Werken schöpferischer Kunst ist schon sehr alt. Dazu zählen auch die Bauwerke einer Kultur, die das Landschaftsbild prägen, das städtische Leben gestalten und ästhetisch erhöhen. Einerseits sind Gebäude die stabilste Form des künstlerischen Ausdrucks, weitaus robuster also als beispielsweise die Erzeugnisse der Bildhauerei, als Gemälde oder gar die moderne Fotografie. Andererseits prägen sie auch den Alltag stärker und sind den öffentlichen Ereignissen direkt ausgesetzt. Man kann ihnen als Bürger schwer entgehen, sie prägen also Kultur unmittelbar.

Kriegsbeschädigungen, Erdbeben, Brände, ökonomisch oder politisch begründete Umbaumaßnahmen und Abrisse gefährden allerdings stets auch den Baubestand, gleich ob es sich dabei um herausragende Einzelkunstwerke oder ein historisches Straßenensemble handelt. Wird es gefährlich, so kann mittlerweile der Denkmalschutz als helfende Institution einschreiten.

Erste Initiativen zu einem „Denkmalschutz“ im weitesten Sinne sind schon aus der Spätantike überliefert. Nach der „Konstantinischen Wende“ von 313 kam es im Zuge des nun legalen und erstarkenden Christentums zu massiven Bilderstürmereien an heidnischen Kulturgütern. Diesen versuchte Kaiser Constans, Sohn Konstantins I., 342 durch entsprechende Schutzvorschriften zumindest kurzzeitig Einhalt zu gebieten, wurden doch die alten Tempel mindestens als erhaltenswertes Kulturgut angesehen.

In Deutschland entwickelte sich eine erste Denkmalschutzdiskussion im 19. Jahrhundert nach den Zerstörungen im Gefolge der Französischen Revolution und der romantischen Hinwendung zu den Zeugnissen der eigenen Geschichte. Dies mündete schließlich darin, daß in die Weimarer Reichsverfassung 1919 folgender Passus aufgenommen wurde: „Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates.“

In der Bundesrepublik ist der Denkmalschutz Ländersache, was zu nuanciert unterschiedlichen Auslegungen der jeweiligen Positionen führt. Aufgaben des Denkmalschutzes sind beispielsweise die Überprüfung der Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern, Hilfestellung bei und Überwachung von Sanierungsmaßnahmen denkmalgeschützter Gebäude, in Sonderfällen auch das Einschreiten, wenn ein Eigentümer sein Baudenkmal bewußt verrotten läßt und damit nachhaltig gefährdet.

Unterstützt werden die staatlichen Denkmalschutzbehörden vor allem durch die private „Deutsche Stiftung Denkmalschutz“ in Bonn, die auch mit Veranstaltungen wie dem „Tag des offenen Denkmals“ am 9. September (siehe Kasten) das öffentliche Bewußtsein für gefährdete Baudenkmale erweitern möchte. Zu den aktuellen Projekten, die von der Stiftung gefördert werden, gehören so unterschiedliche Objekte wie das seit 28 Jahren unbewohnte Wasserschloß Türnich bei Köln, die verwaiste Renaissance-Ausstattung der Oberkirche im thüringischen Arnstadt oder die sanierungsbedürftige Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam.

Die aktuelle Lage des staatlichen Denkmalschutzes ist allerdings nicht unproblematisch. Seit dem beginnenden 20. Jahrhundert steht er zwischen zwei gegeneinander streitenden Lagern: den Modernisten und den Traditionalisten. Den Modernisten oder „Progressiven“ galt der Denkmalschutz oft als sentimentaler Hemmschuh auf dem Weg zur Umsetzung moderner Bauvorhaben. Dem gesellen sich viele Immobilienbesitzer hinzu, die sich durch regulierende Einsprüche bei ihren Umbauvorhaben gegängelt fühlen.

Die Traditionalisten hingegen werfen dem Denkmalschutz vor, längst den Burgfrieden mit den „Progressiven“ geschlossen zu haben, die die Architektenschaft und Hochschulen etwa seit 1945 in Monopolstellung dominieren. Abrisse würden viel zu häufig und mit fadenscheinigen Begründungen genehmigt, wenn Mächtige aus Politik und Wirtschaft Interesse an der Durchsetzung von Vorhaben anmelden. Aktuelle Beispiele sind das mindestens 350 Jahre alte Wengerterhaus in der Stuttgarter Innenstadt, das für ein fünfstöckiges Bürohaus weichen mußte, oder das unter Federführung Balthasar Neumanns errichtete Schönbornsche Hofgut Öttershausen in Franken, das ohne zwingenden Grund großenteils planiert wurde.

Abrißfreigaben erscheinen oft willkürlich und fadenscheinig, als Argument wird dabei gerne angeführt, daß durch spätere Umbaumaßnahmen zu wenig an Originalsubstanz eines Bauwerks vorhanden sei, um noch den Denkmalcharakter aufrechtzuerhalten. Nach dieser Definition müßte allerdings auch der Kölner Dom zum Abriß freigegeben werden, da er permanent runderneuert wird.

Auf der anderen Seite werden mittlerweile zunehmend Bauten der Nachkriegsepoche unter Denkmalschutz gestellt, obwohl deren künstlerischer Wert für den Normalbürger kaum erkennbar ist, die betreffenden Häuser zudem einer nachhaltigen Stadtreparatur im Wege stehen. Das Vorgehen sei zweifelhaft, und so verkomme der Denkmalschutz zu einem Handlanger und Feigenblatt der Bau-modernisten, lautet der Vorwurf seiner Kritiker, beispielsweise aus dem Forum des Vereins „Stadtbild Deutschland“.

Eine große Konfliktlinie liegt mittlerweile zwischen den Bestrebungen zur Rekonstruktion von meist im Weltkrieg zerstörten Bauwerken und einem Denkmalschutz, der in der Dehio-Doktrin erstarrt ist. Auf den Kunsthistoriker Georg Dehio (1850–1932) geht die um das Jahr 1900 formulierte Losung „Konservieren, nicht Restaurieren!“ zurück. Er wandte sich damit in einer Zeit der freien historistischen Nachbildung alter Stile gegen eine bauliche Überformung originaler geschichtlicher Bauten und Ruinen, beispielsweise des Heidelberger Schlosses. Von den späteren Stadtbildverlusten durch den Zweiten Weltkrieg konnte Dehio noch keine Ahnung haben.

Heute steht deshalb die seinerzeit verständliche Position den rekonstruktiven Bemühungen um Stadtreparatur entgegen. So wurde beispielsweise unlängst kritisiert, daß sich der oberste Bremer Denkmalschützer gegen den Wiederaufbau erhaltener Alt-Bremer Fassaden an versetzter Stelle ausgesprochen habe. Dies seien „falsche Welten, ein Freilichtmuseum mit Disneyland-Anmutung“, habe er geäußert und damit eine recht typische Position seiner Zunft bezogen. Denkmalschützer wandten sich somit in der Vergangenheit kritisch auch gegen die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses oder den Wiederaufbau der Fassade des Braunschweiger Schlosses. Und nicht nur das, denn der Denkmalschutz gibt oft sogar noch ausgerechnet sein Jawort zu disharmonischen modernistischen Anbauten an historische Gebäude, von denen der 2007 am Bachhaus in Eisenach erfolgte Neubau nur ein besonders auffälliges Beispiel ist. Der sichtbare optische Bruch ist gewollt, da hierdurch Original- von Neu-Substanz deutlich unterscheidbar ist.

„Substanzfetischismus“ nennen Traditionalisten diese Kooperation mit den Modernisten und beklagen die negativen Folgen einer mittlerweile überholten Doktrin für das Stadtbild. Allerdings sind auch hier Lernprozesse des Denkmalschutzes möglich, wenn er sich aus der allzu engen Umklammerung der Modernisten zu lösen versteht. So äußerten Denkmalschützer unlängst offiziell ihre Zustimmung zur Rekonstruktion eines Teils der Frankfurter Altstadt.

Und bei allen Schattenseiten darf man die enorme Aufgabe von Denkmalschutz und -pflege in Deutschland nicht außer acht lassen. Die Zahl der Denkmäler in Deutschland wird auf fast eine Million geschätzt, davon sind gut 700.000 erfaßt, mehrheitlich in Bayern und Sachsen. Eine Sisyphos-Arbeit, die man nicht genug anerkennen kann, ein steter Wettkampf gegen Regen und Schnee, Hausschwamm und Holzwurm, desinteressierte Immobilienbesitzer und die Unkenntnis mancher Bürokraten.

Der oben abgebildete Schreiber-Modellbau-Bogen kann über den JF-Buchdienst bezogen werden:

 www.jf-buchdienst.de

 

Tag des offenen Denkmals

Seit 1993 findet in Deutschland immer am zweiten Sonntag im September der Tag des offenen Denkmals statt. Koordiniert wird das bundesweite Ereignis von der in Bonn ansässigen Deutschen Stiftung Denkmalschutz – als „Streifzug in die Vergangenheit“ sowie  „Geschichte zum Anfassen“.

Ziel ist es unter anderem, an diesem Tag auch solche Denkmale zu präsentieren, die sonst nicht besichtigt werden können, weil sie zum Beispiel privat genutzt werden. In Führungen erläutern Eigentümer, Denkmalpfleger oder auch mit der Restaurierung befaßte Handwerker die Hintergründe und Besonderheiten der Bauwerke.

In diesem Jahr ist der Tag des offenen Denkmals am 9. September, im besonderen Fokus steht der Werkstoff Holz. Mehr als 7.500 historische Gebäude, archäologische Stätten sowie Gärten und Parks stehen den interessierten Besuchern offen. 

Auf der Internetseite der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist das Programm abrufbar. Eine Karte zeigt alle am 9. September zur Besichtigung geöffneten Denkmäler. Dabei kann die Auswahl nach Wunschregion oder nach Denkmaltypen erfolgen. Die Stiftung bietet außerdem eine kostenlose App für Mobiltelefone (Android oder iPhone) mit Details zu den geöffneten Stätten, einer Standortbestimmung und einer Suchfunktion.

Weitere Informationen über die hierzulande insgesamt 1,3 Millionen denkmalgeschützten Einrichtungen bietet auch das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz.

 www.denkmalschutz.de

 www.tag-des-offenen-denkmals.de

 www.dnk.de

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