© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Dem Schildersturm entgegentreten
Straßenumbenennung: Am Sonntag können die Bürger in Münster entscheiden, ob der Schloßplatz wieder Hindenburgplatz heißen soll
Hinrich Rohbohm

Christoph Sluka ist zufrieden. „Schon wieder bestes Wetter“, sagt er. Seit April dieses Jahres organisiert der 26 Jahre alte stellvertretende Kreisvorsitzende der Jungen Union (JU) Münster Infostände in der Fußgängerzone. Petrus habe sich dabei stets als JU-Freund erwiesen. „Ein gutes Omen“, gibt sich der Jungpolitiker optimistisch. Anfangs organisierten die JU-Aktiven die Stände, um Unterschriften für ein Bürgerbegehren zur Rückbenennung des Schloßplatzes in Hindenburgplatz zu sammeln. Die Bürgerinitiative „Pro Hindenburgplatz“ wurde ins Leben gerufen. 9.500 Bürger hätten unterschreiben müssen, um ein Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen. Die Resonanz auf die Initiative war jedoch so groß, daß sogar 15.000 gültige Unterschriften zusammenkamen.

Jetzt stehen die Jungunionisten wieder am Infostand. Diesmal, um für den am kommenden Sonntag erfolgenden Bürgerentscheid zu werben. Ein Volksvotum, in dem es nun darum geht, ob der Hindenburgplatz von Münster wieder Hindenburgplatz heißen darf. 23.800 Bürger müssen sich an der Wahl beteiligen. Das ist das erforderliche Quorum. Sollten die Hindenburgplatz-Befürworter von diesen Stimmen die Mehrheit erringen, wird der Platz wieder seinen alten Namen tragen können. Vor einem halben Jahr war er einer Umbenennung zum Opfer gefallen. Per Ratsbeschluß hatte der Münsteraner Stadtrat verfügt, daß der seit 1927 bestehende Straßenname aus dem Stadtbild entfernt wird. Seitdem ist das Hindenburgplatz-Straßenschild mit roter Farbe durchgestrichen. Darüber thront nun wie ein Siegessymbol das Schloßplatz-Schild.

Ein Sieg, der sich für die Schloßplatz-Befürworter am Sonntag in eine Niederlage verwandeln könnte. Dann nämlich, wenn Münsters Bürger dem Politik-Establishment widersprechen und sich für die Rückbenennung in Hindenburgplatz entscheiden sollten.

Ein nicht ganz unwahrscheinliches Szenario. Denn obwohl sich die Stadtratsfraktionen aller Parteien einhellig mit Ausnahme von einigen CDU-Leuten für den Namen Schloßplatz ausgesprochen haben sind die Meinungen der Bürger bei weitem nicht so eindeutig. Im Gegenteil: Umfragen hatten in der Vergangenheit eine Mehrheit von 70 bis 80 Prozent für den Namen Hindenburgplatz ergeben. Eine Befragung der CDU-Mitglieder im Kreisverband Münster kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, daß 90 Prozent der Unionsbasis die Beibehaltung des Namens Hindenburgplatz bevorzugen.

Ein Votum, das Münsters CDU-Führung um ihren Kreisvorsitzenden Stefan Weber und den Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz offenbar kaltläßt. „Polenz hatte mir gesagt, die Umfrage sei für ihn nicht repräsentativ, weil nur 15 Prozent unserer rund 3500 Mitglieder abgestimmt haben“, gibt Sluka dessen Begründung für die Ignorierung des Ergebnisses wieder. „Aber er selbst ist als Bundestagskandidat von weitaus weniger Mitgliedern nominiert worden. Ist das für ihn dann auch nicht repräsentativ?“ fragt sich der Jura-Student.

Entgegen dem Basis-Votum steht Polenz in der Fußgängerzone bei den Schloßplatz-Befürwortern. Gemeinsam mit Jungsozialisten, Antifa, dem Uni-AStA und Grünen wirbt er ebenso für den Schloßplatz wie Oberbürgermeister und Christdemokrat Markus Lewe, der gar einen Schaden für den Ruf seiner Stadt sehen will, sollte es tatsächlich zu einer Rückbenennung kommen.

Es habe mehrfach Versuche gegeben, die JU aufgrund ihres Hindenburgplatz-Engagements in die rechte Ecke zu stellen, berichtet Sluka. Ihre Plakate wurden systematisch abgerissen und entsorgt, sogar Morddrohungen habe es gegeben. Von ihrer Mutterpartei im Stich gelassen, steht die JU in der Fußgängerzone abseits, kämpft für ihr Anliegen. Allein.

Vorgänge, die den bundesweiten Zustand der heutigen CDU kaum treffender symbolisieren können. Eine Union, die sich selbst auf kommunaler Ebene zum Erfüllungsgehilfen rot-grüner Politik entwickelt und deren Funktionäre auf die Voten ihrer Basis pfeifen. Überraschend ist das nicht. Der unionsintern als linksliberal geltende Polenz ist ein Vertrauter der Kanzlerin, fungierte kurzzeitig gar als ihr Generalsekretär.

Sollte der Bürgerentscheid zugunsten des Hindenburgplatzes ausfallen, wäre dies nicht nur ein kommunaler Sieg gegen den von links dominierten Zeitgeist. Es wäre auch eine Niederlage der Befürworter eines immer weiter fortschreitenden Linkskurses innerhalb der Union. Dementsprechend scharf ist der Gegenwind des Polit-Establishments. JU-Aktivisten sprechen von einseitig besetzten Podiumsdiskussionen, tendenziöser Berichterstattung in der örtlichen Presse sowie von hindenburgkritischen Ausstellungen, die die Meinung der Bürger beeinflussen sollen.

Einer von den Westfälischen Nachrichten in Auftrag gegebenen Telefonumfrage der am Institut für Soziologie beheimateten Bema-Forschungsgruppe zufolge waren vor einem Jahr knapp 70 Prozent der Befragten für die Beibehaltung des Namens Hindenburgplatz. Später wurden weitere Umfragen in Auftrag gegeben. Die Mehrheitsverhältnisse waren knapper, aber immer noch pro Hindenburgplatz. Eine per Brief geführte Umfrage ergab schließlich eine Mehrheit für die Umbenennung. Diese sei im Gegensatz zu den anderen repräsentativ, hatte es geheißen. Keinen Monat später beschloß der Stadtrat die Namensänderung.

Auch die Stadtverwaltung hatte eine Umfrage in Auftrag gegeben, ebenfalls mit knapper Mehrheit für eine Umbenennung. Nicht nur die JU hält diese Befragung für suggestiv. „Die verbanden die Frage sinngemäß damit, ob man den Platz nach einem Mann benennen könne, der die Nazis an die Macht gebracht hätte. Aber man kann Hindenburg nicht einfach nur auf 1933 reduzieren“, meint Christoph Sluka (siehe dazu Seite 19).

Sogar der Chef des Emnid-Instituts, Klaus-Peter Schöppner, spricht davon, daß die Bürgerbefragung der Stadt „nicht fair, nicht objektiv, nicht repräsentativ“ sei. Laut letzter Bema-Umfrage sprechen sich nun angeblich 46 Prozent für den Hindenburgplatz aus, 54 Prozent für den Schloßplatz.

„Selbst wenn es so kommen sollte, wäre es für uns ein Riesenerfolg“, sagt Sluka. Schließlich zeige auch ein solches Ergebnis die Diskrepanz zwischen Volksmeinung und der nahezu einheitlichen Meinung ihrer sogenannten Volksvertreter. „Laßt euch nicht beirren, macht weiter. Super, daß ihr euch da so einbringt“, motiviert ein Bürger die JU-Aktivisten am Infostand. Die einseitige Berichterstattung der örtlichen Presse sei ungeheuerlich, schimpft der Mann.

„Diese Political Correctness finde ich einfach nur noch zum Kotzen“, beschwert sich auch ein etwas untersetzter Mann, um die 30 Jahre alt. Schließlich hätte die Stadt andere Probleme. „Das ist doch nur reine Ideologie“, meint er.

Der Platz selbst fungiert derzeit als riesige Parkplatzfläche. Plakate für und gegen den Hindenburgplatz hängen an Laternenpfählen. Eines davon zeigt Hindenburg mit Adolf Hitler. Geschmacklos und unter der Gürtellinie, meint die JU. Hindenburgplatz-Befürworter würden so als Rechtsextreme diffamiert.

„Hindenburg war der Steigbügelhalter Hitlers. Er war ein Antidemokrat und Militarist“, argumentiert dagegen ein Aktivist der Schloßplatz-Befürworter in der Fußgängerzone, der in einem knallgelben Pro-Schloßplatz-Hemd Flugblätter verteilt. Er beruft sich auf Forschungsergebnisse der Historiker Alfons Kenkmann und Wolfram Pyta. Die Frage, ob man dann nicht auch Straßen mit den Namen Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Karl Marx oder Ilja Ehrenburg umbenennen müßte, möchte der bärtige Endfünfziger nicht beantworten. „Hier geht es nur um Münster, die Frage stellt sich nicht.“ Und wenn es solche Straßen in Münster gäbe? „Gibt es nicht“, weicht der Mann aus. Im übrigen wolle er nur über Hindenburg reden. Und der sei antidemokratisch.

Apropos Demokratie: „Wenn wir verlieren, werden wir das Votum der Bürger akzeptieren“, erklärt Christoph Sluka. Die Schloßplatz-Befürworter hingegen hätten schon vorab erklärt, daß sie auch im Falle einer Niederlage weiter für die Umbenennung in Schloßplatz kämpfen werden.

Ungeachtet dessen weist ein Parkplatzschild nach wie vor auf den „Hindenburgplatz-Süd“ hin. Und die Firma Siematic schreibt vor ihrem Eingang noch immer in großen Lettern „Siematic am Hindenburgplatz“. Vor einigen Jahren hatte es im Münsteraner Stadtrat schon einmal eine Abstimmung über eine Umbenennung des Platzes gegeben. Man war sich auch damals weitestgehend einig. Nämlich in der Beibehaltung des Namens Hindenburgplatz. Neben der CDU hatten seinerzeit auch SPD und Grüne für den Erhalt dieser Bezeichnung gestimmt.

Die Bürgerinitiative Pro Hindenburgplatz im Internet: www.hindenburgplatz-muenster.de/

Die Bürgerinitiative Schloßplatz im Internet: www.schlossplatz-ms.de/

 

Straßenumbenennungen

Der Ärger von Bürgern und Anwohnern über geplante oder bereits vollzogene Straßenumbenennungen beschränkt sich nicht auf Münster. Auch in anderen Kommunen regt sich Widerstand, wenn Politiker über die Köpfe der Betroffenen entscheiden:

In essen hat eine Bürgerinitiative gegen die von der Bezirksvertretung beschlossene Umbenennung der Von-Seeckt-Straße sowie der Von-Einem-Straße erfolgreich einen Bürgerentscheid durchgesetzt. Mit 3.001 gültigen Unterschriften ist Anfang dieses Monats das nötige Quorum von 2.734 Unterschriften locker erreicht worden. Nun können die 46.000 Einwohner des betroffenen Stadtbezirks abstimmen. Sprechen sich 15 Prozent der Wahlberechtigten gegen die Umbenennung aus, wäre der Beschluß der Bezirksvertretung hinfällig und die Straßen hießen weiter nach den beiden preußischen Generälen.

Im März vergangenen Jahres wurde in hannover die Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Allee in Namibia-Allee per Gerichtsbeschluß bestätigt. Beim deutschen Kolonialoffizier Paul von Lettow-Vorbeck handle es sich laut Verwaltungsgericht „um eine Person, die Ziele und Wertvorstellungen verkörpert, die im Widerspruch zu den Grundsätzen der Verfassung stehen“. Deswegen sei die vom Rat der Stadt beschlossene Umbenennung „verhältnismäßig“, die Unannehmlichkeiten für die Anwohner, die dagegen geklagt hatten, hinnehmbar.

In braunschweig sprach sich 2011 ein Ortsrat dagegen aus, die Dichterin Agnes Miegel aus dem Straßennamen zu tilgen, nachdem dies 90 Prozent der befragten Anwohner abgelehnt hatten.

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