© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Zivile und militärische Drohnen
Luft- und Raumfahrtmesse in Berlin: Die deutsche Industrie und Forschung gehören zur Weltspitze
Michael Martin

Es gibt auch noch gute Nachrichten, wenn es um Berlin und um Flugzeuge geht. Zwar mußte der Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft des neuen Flughafens BER vorigen Freitag die Eröffnung erneut verschieben – diesmal auf Oktober 2013 –, doch das erste Flugzeug hat das neue Areal in Schönefeld erfolgreich verlassen. Der Flug einer Transall auf das neue Veranstaltungsgelände beim Dorf Selchow hatte dabei Symbolcharakter. Im Großraum Berlin kann auch etwas funktionieren. Denn im Gegensatz zum neuen Flughafen ist das „Berlin Expo Center Airport“ rechtzeitig fertig geworden.

In nur zehn Monaten entstand ein Areal von 250.000 Quadratmetern mit sieben Hallen. Auf diesem Messegelände findet dieses Jahr die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) statt, eine der wichtigsten Luftfahrtmessen Europas. Die Veranstaltung läuft für Aussteller und Fachleute seit vergangenen Dienstag, für den normalen Publikumsverkehr öffnet sie am Freitag die Tore: „Wir sind dieses Mal in einer ungewöhnlich komfortablen Situation“, sagt Christopher Bach vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. „Da der neue Flughafen noch nicht eröffnet ist, mußte der Flugverkehr auf der Messe dieses Jahr nicht, wie sonst üblich, mit dem am Flughafen abgeklärt werden.“

Die ILA findet alle zwei Jahre statt und soll bis 2020 auf dem neuen Messegelände ausgerichtet werden. 43 Millionen Euro kostete das Projekt. 1.240 Aussteller aus 46 Ländern haben sich für die ILA angemeldet. Allein aus dem diesjährigen Partnerland Polen sind 40 Aussteller sind vertreten.

Überhaupt freuen sich die Ausrichter über ein großes Interesse. „Wir rechnen mit rund 200.000 Besuchern“, erklärte Wolfgang Rogall von der Messe Berlin in der Morgenpost. „Die Hälfte davon sind Fachbesucher.“ Diese bekommen 270 Fluggeräte zu sehen, die während der Ausstellung landen werden. In einer Halle stellt die Bundeswehr ihren Eurofighter aus. Neben zahlreichen Präsentationen von altbewährtem und Attraktionen wie Rundflügen bekommen Fachpublikum und Besucher auch Neuerungen aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt sowie Militärtechnik zu sehen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellt beispielsweise sein Oberstufentriebwerk Vinci aus. Das Triebwerk, welches mehrfach gezündet werden kann, hat die Testphase erfolgreich überstanden, nun steht der Feinschliff an. 2017 soll es für die Trägerrakete Ariane zur Verfügung stehen. Neben herkömmlichen Ausstellungen geben auch Unternehmen und Forschungseinrichtungen Einblick in aktuelle Projekte.

So ist die TU Berlin auf der ILA mit sieben innovativen Forschungsprojekten vertreten. Präsentiert werden Projekte zur 3D-Visualisierung von Planeten-Oberflächen, zur Gestaltung von bemannten und unbemannten Cockpits und zur Berechnung beziehungsweise Vorhersage von Flugzeuglärm. Außerdem werden ein intelligentes Flugsystem, ein Konzept für einen Satelliten-Baukasten, das Iso-Luftschiff und eine Höhenrakete vorgestellt.

Die ILA genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Dies gilt sowohl für den Bereich der Raumfahrt als auch für die zivile und militärische Luftfahrt. So kommt Boeing wieder zur Ausstellung zurück. Indirekt ist der US-Flugzeughersteller auch durch die deutsche Lufthansa vertreten. Sie stellt den Prototyp ihres neuen „Flaggschiffs“ Boeing 747-8 aus.

Die Organisatoren glauben, daß die Pannen um den nahe gelegenen neuen Flughafen der internationalen Wertschätzung für die ILA keinen Abbruch tun. Im Gegenteil. Man verweist stolz auf ein neues Segment, mit dem einer weltweiten Entwicklung im zivilen und militärischen Bereich Rechnung getragen wird. Auf der neuen UAS-Plaza (Unmanned Aircraft Systems) werden erstmals die unterschiedlichsten Typen von unbemannten Flugsystemen präsentiert. Die sogenannten Drohnen fliegen ohne Piloten und können nicht nur in militärischen Gebieten, sondern auch im zivilen Bereich eingesetzt werden.

Die Bundeswehr hatte im vergangenen Jahr mit der Vorstellung des „Euro Hawk“ für Aufsehen gesorgt. Hülle und Antrieb stammen aus US-Produktion, die technischen Feinheiten sind aber in Deutschland entwickelt werden. So verweisen Organisatoren und Aussteller denn auch gerne darauf, daß Deutschland im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik Weltspitze ist – durch Konzerne wie MTU und Rheinmetall, Familienunternehmen wie Liebherr oder Mittelständler wie Microdrones.

Trotzdem gibt es auch Kritik. Die frühere SED-Zeitung Neues Deutschland giftete, daß die „Händler“ des Todes im Anmarsch seien. Auf der ILA sollen „neue Rüstungsgeschäfte eingefädelt werden“, beschwert sich Hans Erxleben von der Linkspartei in Berlin. Dabei belege Deutschland unter den „Händlern des Todes“ bereits Platz 3 auf der Welt. Aus Sicht von Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) wird die ILA dennoch ein großer wirtschaftlicher Erfolg für die Region.

„Wir erwarten einen volkswirtschaftlichen Effekt von 360 Millionen Euro“, sagte er gegenüber der Welt. Als sich die Hauptstadtregion um den Verbleib der ILA bemüht habe, habe kaum jemand an einen Erfolg geglaubt, so Christoffers vorige Woche. Tatsächlich sei es gelungen, innerhalb kürzester Zeit das neue Ausstellungsgelände aus dem Boden zu stampfen und zudem innerhalb des geplanten Budgets zu bleiben. Das große Interesse der Aussteller zeige, daß sich die Entscheidung bewährt habe.

Schwierig für den Linken-Minister ist allerdings, daß sich seine Partei gerne als Antikriegspartei verkauft: „Die ILA war nur als Gesamtpaket zu bekommen“, meinte er daher entschuldigend. Er räumte aber ein, daß er mit Protesten gegen Rüstungsexporte rechne. Die Messe sei aber eine „wichtige Veranstaltung für die Region“. Und eine, die wie geplant über die Bühne gehen wird.

 

Luft- und Raumfahrtmesse ILA Berlin

Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin zählt neben dem Aérosalon Paris und der Farnborough International Airshow in England zu den größten Fachmessen der Welt. Veranstaltet wird die ILA vom Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. Die Messe fand 1909 erstmals statt und wurde damals in Frankfurt am Main ausgerichtet und wechselte dann nach Berlin. Nach der deutschen Teilung wurde sie bis 1990 in Hannover ausgerichtet. 1992 kehrte sie nach Berlin zurück und wurde bis vor zwei Jahren auf dem alten DDR-Zentralflughafen Berlin-Schönefeld ausgerichtet. In diesem Jahr findet sie erstmals auf dem neuen Areal nahe dem noch nicht eröffneten neuen Großflughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) statt. Das gesamte neue Messeprojekt kostete 43 Millionen Euro. In diesem Jahr nehmen 1.240 Aussteller aus 46 Ländern teil. Ausgestellt werden unter anderem 270 Fluggeräte.

Die ILA läuft noch bis 16. September auf dem „Berlin ExpoCenter Airport“: www.ila-berlin.de

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