© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Kein Kommentar: Seit ’68 ist die Selbstmordrate weltweit um 60 Prozent gestiegen.

Der Streit um eine Büste für George Orwell im BBC-Hauptgebäude ist eine Farce. Die Ablehnung ausgerechnet mit der Begründung, es handele sich um ein „linkes“ Projekt, überzeugt keinesfalls. Zu denken geben sollte, wie lange keine linke Rezeption Orwells stattfand, was eben damit zu tun hat, daß seine berühmten Dystopien „1984“ und „Die Farm der Tiere“ eher zur Kritik realexistierender linker Systeme geeignet sind. Orwell hatte die richtigen Lehren aus seiner Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg gezogen und verstanden, was es bedeutet, wenn die Fortschrittspartei Ernst macht. Wichtiger erscheint aber noch, daß sich Orwell als „tory anarchist“ auf einen Standpunkt gestellt hat, den man heute ernster nehmen muß als zu seinen Lebzeiten: Verachtung der bestehenden Autorität wie ihrer Freiheitsrhetorik, ohne Hoffnung auf politische Erlösung, und: Verteidigung des Elitismus gegen die Herrschenden.

Man muß den Auftritt Clint Eastwoods auf dem Parteitag der Republikaner nicht in jeder Hinsicht überzeugend finden. Aber es war eine Freude, die Wut des Feuilletons zu sehen, und uns ist die Sorge genommen, daß sich „Dirty Harry“ bekehrt haben könnte und die Vermutung bestätigt, daß es selbst bei „Gran Torino“ einen rechten Subtext gibt.

Eine Region ist entweder Folklore oder eine Nation, die es nicht geschafft hat.

Im Ausnahmefall ist eine Region auch beides zugleich. So das Baskenland: im französischen Teil Folklore, im spanischen eine Nation, die es nicht geschafft hat. Allerdings wird das letzte Wort erst noch gesprochen. Im spanischen Baskenland sieht man heute kaum noch Nationalfahnen, stattdessen baskische, und allgegenwärtig sind Transparente über die Straßen gespannt, auf denen die Einheit „Euzkadis“ gefordert wird.

„Es kommt herauf die Welt, die wir die moderne, die wir nicht aufhören werden, die moderne Welt zu nennen. Die Welt derer, die an nichts glauben, nicht einmal an den Atheismus, die sich nichts ergeben und nichts opfern. Die Welt derer, die keine Mystik haben.“ Leon Bloy, 1910

Die Hartnäckigkeit des baskischen Sonderwegs, obwohl es in der Vergangenheit nie ein baskisches Reich oder einen baskischen Staat gegeben hat, hängt mit dem Rückhalt in der völkischen Eigenart der Basken zusammen. Als Rest der vorindogermanischen Bevölkerung Europas tradiert man neben einer Sprache, die von allen benachbarten verschieden ist, auch eine Reihe spezifischer kultureller Formen und verfügt über eine ethnische Substanz, die ganz offenbar den kollektiven Eigensinn stärkt.

Es ist eher eine Fußnote zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, aber immerhin. Thomas Sowell hat die latente Neigung des Amtsinhabers Barack Obama kritisiert, immer wieder die „Rassenkarte“ zu spielen, zum Beispiel mit Äußerungen, wie der, in der Vergangenheit seien Menschen „nur wegen ihrer Hautfarbe“ versklavt worden. Diese Feststellung sei unsinnig, da über Jahrtausende hinweg sich Sklavenhalter gar nicht um die Frage scherten, welcher Menschengruppe ihre Sklaven angehörten. Vor allem aber sei die Idee absurd, es komme in der Geschichte der Sklaverei den Weißen eine Sonderrolle zu, weil sie Schwarze versklavten. Zum einen fußte das afrikanische Sklavensystem auf der Versklavung von Schwarzen durch Schwarze, die es offenbar seit Urzeiten gab, zum zweiten hatten die schwarzen Sklavenhändler keinerlei Skrupel, Schwarze an Araber oder Europäer zu verkaufen, zum dritten sei der Sklavenhandel in Afrika erst durch die europäische, also weiße, Kolonialherrschaft gebrochen worden, zum vierten habe es in den USA bis zum Ende des Bürgerkriegs Schwarze gegeben, die andere Schwarze als Sklaven besaßen, und zum fünften existierte in der „Berberei“, also den Piratenstaaten Nordafrikas, bis zum 19. Jahrhundert auch die Versklavung von Weißen durch Schwarze. Was der Kritik Sowells eine besondere Note gibt, ist die Tatsache, daß er selbst zu jenen US-Bürgern gehört, die man modisch „Afroamerikaner“ nennt.

Bildungsbericht in loser Folge XXIX: Althistoriker Egon Flaig zur „Inklusion“, das heißt der Einbeziehung von Behinderten in den Regelunterricht: „Kommunismus für die Schule“.

Über die Tatsache, daß der radikale baskische Nationalismus nach heutigen Maßstäben „rassistisch“ gefärbt ist, täuscht nur dessen linke Optik. Aber es reicht eine entsprechende Tradition von dessen Gründervater Sabino Arana, der berühmt war für „antikastilische“ Tiraden, bis zur alten Forderung der ETA nach Vertreibung oder Umerziehung aller Nichtbasken im Baskenland.

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 28. September in der JF-Ausgabe 40/12.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen