© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Lockerungsübungen
Lernfähige Währungshüter
Karl Heinzen

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat beschlossen, Staatsanleihen von Ländern der Euro-Zone, die unter dem Rettungsschirm Zuflucht gefunden haben, ohne Obergrenze aufzukaufen. Damit soll ermöglicht werden, daß die Krisenstaaten die Aufnahme neuer wie auch die Refinanzierung bestehender Schulden zu günstigeren Konditionen vornehmen können, als wenn sie für ihre Bonität selbst zu sorgen hätten. Tritt dieser Effekt tatsächlich ein, wären die betroffenen Regierungen der Gefahr enthoben, ausufernde Zinszahlungen sogleich wieder durch weitere Ausgabenkürzungen und neue Belastungen der Bevölkerung beantworten zu müssen. Die auch gefestigte Demokratien auf die Zerreißprobe stellende Austeritätspolitik könnte gelockert werden.

Ob diese Rechnung aufgeht, haben allerdings nicht die Politiker oder ihre Währungshüter, sondern die Finanzmärkte zu entscheiden. Möglich ist, daß die Spekulation gegen den Euro in eine neue Runde eintritt und nun gar lukrative Wetten auf die Belastbarkeit der EZB abgeschlossen werden. Profitieren werden aber immerhin die Banken, die die fragwürdigen Staatspapiere halten. Sie müssen nicht mehr befürchten, auf faulen Schuldtiteln sitzenzubleiben.

Die Kritik der Deutschen Bundesbank, die EZB habe einen Kurs eingeschlagen, der einer Staatsfinanzierung durch die Notenpresse nahe kommen, mag daher zutreffend sein, wird aber den besonderen Umständen nicht gerecht. Auf der Tagesordnung steht die Rettung des Euro und nicht die Einhaltung von geldpolitischen oder fiskalischen Grundsätzen, die sich in der Praxis nicht mehr bewähren. Die Frage kann daher nicht lauten, auf welchen Prinzipien zu beharren ist, sondern welches von ihnen als nächstes aufgegeben werden muß. Die Antwort liegt auf der Hand: Die gigantischen Schuldenberge, die qua der aus ihnen resultierenden Zinszahlungen die Ausgaben- und damit Gestaltungsspielräume der Staaten einengen, drohen ein immer größerer Ballast zu werden, solange die Maxime der Geldwertstabilität hochgehalten wird.

Allein ein deutlicher Anstieg der Inflation kann einen Ausweg aus der Krise bieten, der sich ohne unerfreuliche Diskussionen über eine gerechte Lastenverteilung einschlagen läßt. Noch ziert sich die EZB, die Notenpresse ohne Scheu anzuwerfen. Ihr ist aber zuzutrauen, daß sie sich auch hier als lernfähig erweisen wird.

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