© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/12 14. September 2012

Substanzarme Affäre
Bettina Wulff führt einen Kampf um ihre Ehre – und steigert ganz nebenbei das Interesse an ihrem Buch
Michael Martin

Drei Buchstaben reichen aus, um einen Rufmord bestaunen zu können. Wer bei Google schlicht „Bet“ eingibt, erhält als Antwort jenen pikanten Vorschlag: „Bettina Wulff Prostituierte“ steht da – direkt gefolgt von „Bettina Wulff Escort“.

Es gibt Dutzende Blogs im Netz, die sich mit dem Vorleben der Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff beschäftigen. 2006 lernte sie den damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen kennen, 2008 heirateten sie. Wulff, der bis dato scheinbar eine Musterehe geführt hatte, geriet parteiintern in die Schußlinie. Und spätestens seit diesem Zeitpunkt kursieren auch die Gerüchte, seine heutige Frau habe als Prostituierte im Berliner Riesenbordell Artemis gearbeitet. Damit soll sie sich den Lebensunterhalt während ihres Studiums verdient haben. Die Geschichte war schon deshalb unglaubwürdig, weil das Artemis erst Ende 2005 eröffnet wurde. Das änderte aber nichts an der Hartnäckigkeit, mit dem das Gerücht im Netz die Runde machte.

Dumm nur, daß ausgerechnet Bild, die sich im Umgang mit Bundespräsident Wulff als nicht gerade zimperlich erwies, schon recht früh den Daumen senkte. Unvergessen ist der Auftritt von Nikolaus Blome, stellvertretender Chef des Boulevardblatts, bei Günther Jauch. Der Moderator sprach seinen Gast auf das Gerücht an, Bild könne mit einer Geschichte über das frühere Leben Bettina Wulffs aufwarten. „Angeblich verfügt die Redaktion über Informationen, die bisher auf Weisung von ganz oben nicht gedruckt werden dürfen.“

Blome stritt dies vehement ab und verwies den Fall ins Reich der Fabeln („völliger Quatsch“). Dennoch war eine neue Stufe der Eskalation erreicht. Frau Wulff wehrt sich nun – und zwar recht spät. In der vergangenen Woche reichte die 38jährige Klagen beim Hamburger Landgericht gegen Jauch und gegen Google ein. Zuvor hatten jedoch bereits 34 deutsche und ausländische Blogger und Medien, darunter auch der Stern oder die Berliner Zeitung, Unterlassungserklärungen abgeben müssen. Einige Medienhäuser mußten gar Schmerzensgelder zahlen.

Es wäre nicht schwer gewesen, den „Fall Wulff“ zu recherchieren. Doch in der deutschen Medienbranche schreibt einer gern vom anderen ab. Zudem befeuerten Netzseiten von Verschwörungstheoretikern mit Bildern einer Prostituierten namens Victoria stets die Gerüchte. Bei der Dame soll es sich um die spätere Frau Wulff gehandelt haben. Doch zu sehen ist eine Frau mit dunklen Balken vor dem Gesicht, die offenbar eine Perücke trägt. Wer eine Ähnlichkeit mit Bettina Körner (verheiratete Wulff) zu erkennen glaubt, wird dies bei 500.000 anderen Frauen in Deutschland auch tun müssen. Letztlich ist die Affäre substanzarm. Einen Beleg für die unterstellte Tätigkeit gibt es nicht. Frau Wulff hat übrigens nie in Berlin studiert.

Bleibt die spannende Frage, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat und wer daraus einen Nutzen zu ziehen glaubte. Hans Leyendecker behauptet in der Süddeutschen Zeitung, es sei die eigene Partei gewesen, die Christian Wulff schaden wollte. „Bereits am Rande der Bundesversammlung Ende Juni 2010 hatten CDU-Politiker Journalisten auf die Internet-Veröffentlichungen aufmerksam gemacht“, schrieb die SZ am Wochenende zur Entstehung der Gerüchte.

Der Verdacht liegt nahe, daß Bettina Wulff mit Leyendecker „über Bande“ gespielt haben könnte. Woher hatte Leyendecker diese Informationen, wenn nicht von ihr selbst?

Viel interessanter ist daher auch die Frage, warum Frau Wulff ausgerechnet jetzt gegen Journalisten und die Suchmaschine Google klagt. Die Suchmaschine tut so, als sei die Präsentation der Suchergebnisse naturgegeben. Ein Google-Sprecher erläutert, die vorgeschlagenen Vervollständigungen seien „das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren, inklusive der Popularität der eingegebenen Suchbegriffe“.

Auch hier reicht schon eine kleine Recherche, um diese Aussage des Unternehmens zu widerlegen (siehe Infokasten). Wie auch immer: Bettina Wulff ist PR-Profi. Sie wird wissen, daß die Zugriffe auf die Google-Suchergebnisse nun sprunghaft ansteigen werden. Ihr Name wird in aller Munde sein. Da trifft es sich gut, daß noch im September ihr Buch „Jenseits des Protokolls“ mehrere Wochen früher als geplant erscheinen wird. Werbung in eigener Sache hat sie sicherlich genug gemacht. Und den Parteifreunden ihres Mannes in Niedersachsen einen Bärendienst erwiesen. Dort stehen Anfang kommenden Jahres Landtagswahlen an. Ein Schelm, wer da an Zufälle glaubt.

 

Google-Suche

Google zeigt dem Nutzer Begriffe an, die zu seiner Suche passen. Die Funktion heißt Autovervollständigen. Sie basiert auf den häufigsten Suchanfragen der anderen Nutzer. Wer zum Beispiel „Hand“ eingibt, sieht als Vorschläge: Handelsblatt, Handelsregister und Handy orten. Manche Wörter sind jedoch gesperrt: Wer „Juden“ eingibt oder „Neger“, dem wird nichts vorgeschlagen. Wer hingegen „Deutsche sind“ eintippt, dem wird empfohlen, doch nach „dumm“, „häßlich“ oder „langweilig“ zu suchen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen