© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

NSU-Mordserie
Leicht entflammbar
Marcus Schmidt

Wer hat was, wann gewußt und wo sind überhaupt die Akten? Und wenn ja wieviel? Die Aufklärung der Mordserie an neun Ausländern und einer Polizistin, die dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschrieben wird, entwickelt sich immer mehr zu einer öffentlichen Schnitzeljagd nach Geheimdienstdokumenten. Auf der nach oben offenen Erregungsskala gibt es dabei kein Halten mehr. Die Medien spielen in diesem Spiel fleißig mit und machen aus jedem Schriftstück, das verspätet oder nur auf Umwegen dem Berliner Untersuchungsausschuß vorgelegt wird, eine neue Geheimdienstaffäre. Wenn sich der erste Sturm gelegt hat, wie jetzt im „MAD-Skandal“, erweist sich das Ganze meist als zwar ärgerlich, aber relativ harmlos.

Ohne Frage agieren die Geheimdienste bei der Aufklärung der Mordserie äußerst ungeschickt. Sie müssen sich daher nicht wundern, daß bis in den Untersuchungsausschuß hinein Verschwörungstheorien die Runde machen. Schon jetzt ist klar, daß die Zusammenarbeit zwischen den „Diensten“ und der Polizei grundlegend überarbeitet werden muß. Doch das eigentliche Problem liegt woanders: Es besteht die Gefahr, daß angesichts der ständig neuen Akten-„Skandale“ die Aufklärung der Morde, bei der immer noch viel zu viele Fragen unbeantwortet sind, auf der Strecke bleibt. Das könnte sich als wesentlich verhängnisvoller erweisen als die ein oder andere verspätete Akte.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen