© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Eine Trutzburg wird renoviert
Jahreskongreß: Mit einem neuen Präsidium will das konservative Studienzentrum Weikersheim zu alter Schlagkraft zurückfinden
Henning Hoffgaard

Harald Seubert ist ganz in seinem Element: „Der freiheitliche Konservatismus ist ein Pfund, mit dem wir wuchern müssen“, sagt er energisch. Eine junge konservative Elite müsse geformt werden. Der Ort, an dem das passieren soll, ist kein anderer als Weikersheim. Die beschauliche Kleinstadt in Baden-Württemberg galt lange als Trutzburg des Konservatismus in der CDU und auch in Deutschland. In ihren Hochzeiten versammelte die gleichnamige Studienstiftung Hunderte Mitglieder aus ganz Europa im Rittersaal des Schlosses.

Der ist im Jahr 2012 nun deutlich zu groß. Die etwa 60 Gäste der Studienstiftung Weikersheim versammeln sich stattdessen in der kleineren Orangerie des Schlosses. Es ist der erste Jahreskongreß unter dem neuen Präsidium, dem neben Präsident Seubert auch der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider und der Soziologe Jost Bauch angehören. Die drei Professoren wollen Weikersheim wieder zu dem machen, was es bis weit in die neunziger Jahre war: die wichtigste konservative Denkfabrik in der Bundesrepublik. Dazu soll als erstes wieder enger mit dem Mittelstand, für Seubert das „Herz der deutschen Wirtschaft“, kooperiert werden.

Auch die sicherheitspolitischen Gespräche und die Hochschultage für jüngere Teilnehmer sollen im kommenden Jahr wieder etabliert werden. Wie das finanziert werden soll, ist derzeit noch unklar. Das Land Baden-Württemberg gibt schon seit Jahren keinen Cent mehr an die Studienstiftung, die Spenden aus der Industrie sind längst Vergangenheit, und die Mitgliederzahl ist auf etwa 300 zurückgegangen. Seubert will sich davon nicht unterkriegen lassen. Mit einem neuen Internetauftritt soll zumindest ein Teil der alten Schlagkraft zurückgewonnen werden. Daneben denkt man über deutschlandweite Vorträge und Diskussionsforen nach.

Der Präsident meint es ernst. „Weikersheim lebt wieder und kreist nicht mehr um sich selbst.“ Erster Schritt zur erhofften Rückkehr in die Öffentlichkeit ist dabei ein Grundsatzprogramm zur Bestimmung der Positionen jenes „freiheitlichen Konservatismus“, den es im 21. Jahrhundert brauche. Die geistigen Grundlagen Weikersheims finden sich demnach in der antiken Polis-Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und dem Christentum. Auch zu aktuellen Themen wird klar Position gezogen: Gegen Abtreibung und die Diskriminierung der klassischen Familie, gegen eine unkontrollierte Massenzuwanderung und Endnationalisierung. Deutschland, heißt es, müsse gegen „One World“-Phantasien verteidigt werden.

Galt das vom früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger gegründete Studienzentrum Weikersheim damit noch bis vor wenigen Jahren als CDU-nah, steht es heute fast in Frontalopposition zur Union. Das ist auch Seubert bewußt. „Die Distanz zur CDU ist größer geworden“, sagt er nachdenklich. Zumindest könne man nun auch unabhängiger von Parteipolitik vorgehen. „Den Kurs und das Gequatsche des Zeitgeistes wollen wir nicht mitgehen.“ Ihm geht es vor allem um die großen Dinge. Freiheit, Recht, Philosophie.

Diese intellektuelle Ausrichtung findet sich auch in der Rednerliste wieder. Michael Stahl spricht über die Schaffung einer neuen Antike, Brigadegeneral
a. D. Dieter Farwick beleuchtet die Rolle Deutschlands in der globalisierten Welt, und der amerikanische Historiker Paul Gottfried referiert über die Entwicklung des Konservatismus in den Vereinigten Staaten. Euro-Rebell Schachtschneider lieferte eine Einschätzung zum Urteil des Verfassungsgerichtes zum ESM. Zwar seien nur die Eilanträge abgelehnt worden, doch auch im Hauptverfahren wird das Urteil kaum anders ausfallen, meint der Staatsrechtler. Zumindest sei es gelungen, einen völkerrechtlichen Vorbehalt durchzusetzen und die Verschwiegenheitsrechte des ESM-Direktoriums aufzubrechen. Eindringlich warnt er vor der Europäischen Union, die zum Staat ohne demokratische Legitimation werde. Die Souveränität Deutschlands sei bedroht: „Wir brauchen die EU nicht!“ Eingerahmt wurden die Vorträge von einer Lesung des Schriftstellers Ulrich Schacht, einem Konzert und einem Gottesdienst.

Noch dieses Jahres soll es weitergehen. Zwei Vorträge in Stuttgart sollen organisiert werden. Ob es sich die Studienstiftung dabei leisten kann, auf die Kooperation mit anderen Institutionen, wie dem Institut für Staatspolitik, zu verzichten, ist ungewiß. Sinkende Mitgliederzahlen, Überalterung und ein nur noch kleiner finanzieller Spielraum, werden sich auch mit einem längst überfälligen Internetauftritt nicht so schnell aus der Welt schaffen lassen. In diesem Sinne könnte ein zu starkes Bestehen auf der Eigenständigkeit Weikersheims durchaus zur Gefahr für die 35 Jahre alte Institution werden, die heute vielleicht dringender gebraucht wird als jemals zuvor.

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