© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Norwegische Tagträume
Frauenförderung: Zwangsquoten provozieren Ausweichreaktionen / Neigungen und Begabungen lassen sich nicht verordnen
Christian Schreiber

Harald Eia ist ursprünglich Komiker. Doch zum Lachen fand er die Zustände in seinem Heimatland Norwegen schon lange nicht mehr. Frauenquote, „Gender“-Förderung – all diese Dinge beobachtete mit er Argwohn. Der studierte Soziologe nahm dies zum Anlaß, 2010 in einer TV-Dokumentation nach den biologischen Grundlagen von Verhaltensunterschieden zwischen Mann und Frau zu fragen, die unter dem Titel „Hjernevask“ (Brainwashing, Gehirnwäsche) im norwegischen Fernsehen gezeigt wurde.

Das Ergebnis war eine heftige Debatte in der norwegischen Öffentlichkeit über den Realitätsgehalt der Gender- Theorien. Über die politischen Folgen wird jetzt diskutiert. Vor allem über die Einführung einer Frauenquote in der Wirtschaft. Noch im Mai hatte der Spiegel von einer „norwegischen Erfolgsgeschichte“ geschrieben.

Genau das zweifelt ein US-Forscherteam in einer neuen Studie massiv an. Die Frauenquote kam für Norwegens Unternehmen zu schnell, lautet das Fazit von Kenneth Ahern und Amy Dittmar, die beide an der Universität von Michigan tätig sind. Weil es zuwenig qualifizierte weibliche Kandidaten für die Führungspositionen gegeben habe, seien die Firmen gezwungen gewesen, jüngere und unerfahrenere Frauen in die Verwaltungsräte zu holen. Darunter habe aber Unternehmenserfolg über Jahre gelitten. „Die norwegische Quotenregelung war zwar ein wirksames Instrument, um Geschlechtervielfalt zu erreichen. Aber für die Aktionäre der Firmen ging sie mit beträchtlichen Kosten einher“, zitierte das Handelsblatt aus der Studie. Die Forscher haben die Folgen der Frauenquote für die Unternehmen am Beispiel von 248 norwegischen Aktiengesellschaften analysiert.

Die Ergebnisse sind erstaunlich. Firmen, in denen zuvor wenig Frauen in Chefetagen waren, mußten ihre Struktur stark umbauen. Sie mußten über mehrere Jahre lang deutliche Kursabschläge hinnehmen, stellen Ahern und Dittmar fest. Ursprünglich männerdominierte Firmen wurden im Jahr 2007 – fünf Jahre nach der Ankündigung der Quote – im Schnitt rund 17 Prozent niedriger bewertet als andere Unternehmen. „Das Gesetz hatte große negative Effekte auf den Wert der Firmen, die ihre Verwaltungsräte massiv neu organisieren mußten“, heißt es in der Studie. Allgemein wurde problematisiert, daß ein entscheidendes Problem gewesen sei, Frauen mit Erfahrung zu finden. Ein Umbau einer Struktur brauche Jahrzehnte, sagen Wissenschaftler.

Es waren Erlebnisse wie diese, die Harald Eia zu seiner Dokumentation veranlaßten. Norwegen hat den zweiten Platz im internationalen Gender-Gap-Index inne, verfügt über einen hohen Lebensstandard und nimmt bei der Gleichstellung der Geschlechter eine Vorreiterrolle ein. Ziel war es, das „Gender Paradox“ in Norwegen zu hinterfragen – den Widerspruch zwischen jahrzehntelanger offizieller geschlechtsneutraler Erziehung und der Tatsache, daß weiterhin in bestimmten Berufen (etwa Ingenieure) fast nur Männer tätig sind, in Pflegeberufen dagegen mehrheitlich Frauen arbeiten und der Prozentsatz der Männer in diesen Berufen sogar wieder abgenommen hat. Darüber zu sprechen, war ein Tabu. Eia hat dieses Tabu gebrochen. Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung sahen die Dokumentation, sie löste eine breite Debatte aus.

Die Universität Tromsø reagierte darauf und schaltete sich mit diesem Vortrag in die Diskussion ein: „Ist die Welt, wie sie sein sollte? Die Beziehung zwischen Sein und Sollen in der Gender-Forschung.“ Ein späteres Ereignis war noch sensationeller: Am 19. Oktober 2011 erschien eine Pressemitteilung, die die Schließung des Nordischen Gender Instituts (NIKK) ankündigte.

Damit war der Förderstopp auch für Genderstudies des skandinavischen Institutes verfügt. Das Gremium begründete seine Entscheidung damit, daß es dem NIKK mit seinen Genderstudies weder gelungen sei, zur wissenschaftlichen Debatte in allen nordischen Ländern beizutragen, noch mit Umsetzung ihrer Ergebnisse die Brücke zur Gesamtgesellschaft zu schlagen. In Deutschland und in anderen EU-Ländern sind die Ergebnisse der TV-Reihe sowie der Studie bisher verhalten bis gar nicht kommentiert worden. Entsprechende Suchergebnisse bei Google verweisen vor allem auf Einträge aus der Blogger-Szene. Eia hat dies so erklärt, daß Norwegen ein kleines Land von geringer Bedeutung sei. Aber die Wahrheit könnte auch eine andere sein. Nämlich die, daß sowohl das De-facto-Scheitern der Frauenquote als auch die Resultate von Eias Recherchen unbequeme Wahrheiten enthalten, die man der breiten Öffentlichkeit vorenthalten will.

Der Film „The Gender Equality Paradox“: www.youtube.com

Foto: Auschnitte aus norwegischem Gender-Film: Die Geschlechtsneutrale Erziehung ist völlig gescheitert

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