© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Blick in die Medien
Besucherjagd mit der Schrotflinte
Toni Roidl

Was für Fernsehmacher die Einschaltquote ist, ist für Onlinemedien die Zahl der Klicks. Monatlich wird die Klickzahl von Fachdiensten ermittelt und je nach dem schamhaft verschwiegen oder laut herausposaunt.

Um möglichst viel werberelevante Reichweite zu erzielen, wird getrickst, was das Zeug hält. Der Chefredakteur von sueddeutsche.de, Stefan Plöchinger, plaudert in seinem privaten Blog aus dem Nähkästchen.

Da wird zum Beispiel jeder Leserkommentar als eigener Beitrag deklariert, um eine Massierung von Google-Einträgen zu erzielen (sehr beliebt beim Focus). Oder es werden alte Texte von Praktikanten leicht abgewandelt mehrfach wiederveröffentlicht, damit Google sie jeweils erneut als „vor 1 Tag gefunden“ auffrischt.

Besonders beliebt ist eine Masche, die sich auch bereits herumgesprochen hat: Ein Seitenbetreiber läßt einfach fremde Webseiten für sich mitzählen. Das geht ganz einfach, indem eingebundene „Partnerseiten“ wie Ratgeberportale (beispielsweise finanzen100.de) in die eigene Reichweite eingerechnet werden. Oder es werden Nachrichten und Bilder der Agenturen im Original in den eigenen Auftritt integriert. Auf diese Weise erreichen selbst Provinzblätter imposante Reichweiten.

Wer am besten trickst, rutscht bei der monatlichen Zählung der einzelnen Besucher (Unique Users) durch die Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) nach oben.

Diese Besucherjagd mit der Schrotflinte sagt jedoch nichts über die Qualität des Angebotes aus. Die meisten kommen aus Versehen, ärgern sich über den Reklamemist und sind wieder weg – aber haben einen gezählten Besuch hinterlassen. Und das entscheidet über Anzeigenpreise, nicht ob der Besucher frustriert und verärgert ist.

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