© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Trotz Gebrüll und Trillerpfeifen
„Marsch für das Leben“: So viele Abtreibungsgegner wie nie zuvor demonstrieren in Berlin
Thorsten Brückner

Mit über 3.000 Teilnehmern am Marsch für das Leben in Berlin konnten die Veranstalter um den Bundesverband Lebensrecht am vergangenen Sonnabend nach den 2.100 Teilnehmern im vergangenen Jahr erneut einen Besucherrekord verzeichnen. Auffällig war dabei die hohe Anzahl junger Lebensrechtler unter den Demonstranten. Im Vergleich zum ersten Marsch im Jahr 2002, als 800 Teilnehmer „1.000 Kreuze für das Leben“ hochhielten, hat sich die Teilnehmerzahl somit beinahe vervierfacht.

Zuvor waren die Lebensschützer zur Auftaktkundgebung vor dem Bundeskanzleramt von einem Plakat mit einem gekreuzigten Schwein und der Aufschrift „Jesus, du Opfer“ empfangen worden. Linksextremisten war es gelungen, sich vor Beginn der Kundgebung unter die Lebensschützer zu mischen. Frauen, die sich selbst schon in der schwierigen Lage wiederfanden, eine Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung treffen zu müssen, erzählten dort von bewegenden Erlebnissen. Eine Mutter berichtete, wie sie sich gegen ärztlichen Rat für ihr behindertes Kind entschieden hatte. Eine andere Frau, die in früheren Jahren eine Abtreibung hatte vornehmen lassen, berichtete von der tiefen Schuld, die sie empfunden habe, und die sie in Depressionen und Selbstmordgedanken gestürzt hätte. Erst durch ihren Glauben habe sie sich davon befrein können.

Kurz nach 14 Uhr setzte sich der Marsch in Bewegung. Vorbei an Reichstag und Brandenburger Tor führte die Strecke zur St. Hedwigs-Kathedrale, wo der abschließende Gottesdienst stattfinden sollte. Begleitet wurden die Lebensschützer dabei wie in den vergangenen Jahren von Schmähungen und blasphemischen Parolen der Gegendemonstranten. Diese mischten sich mehrfach unter die Teilnehmer, entrissen Demonstranten Kreuze und bewarfen sie mit aufgeblasenen Kondomen. „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ und „Hätt Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“, skandierten die Abtreibungsbefürworter mit haßverzerrten Gesichtern. Eine von Alter und körperlichen Gebrechen sichtlich gezeichnete Marschteilnehmerin fühlte sich dabei an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert: „So hat uns die SA damals auch angebrüllt“, sagte sie verängstigt. Die Schmähungen und das Trillerpfeifenkonzert der Gegendemonstranten konterten die Lebensschützer auf ihre Weise, in dem sie leise das christliche Lied „Amazing Grace“ sangen. Den Aufforderungen der Veranstalter, sich nicht provozieren zu lassen, wurde von fast allen Teilnehmern nachgekommen. Manche versuchten sogar, mit den Protestierern ins Gespräch zu kommen.Ein junges Mädchen ging mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht direkt auf einen am Rand stehenden, schwarz gekleideten Gegendemonstranten zu, der sie aus der Menge nur wenige Sekunden zuvor noch beschimpft hatte. Entwaffnet von ihrer offenen Art entspannten sich seine Gesichtszüge und er ließ sich auf eine Unterhaltung ein und nahm sogar eine Info-Broschüre der Lebensschützer entgegen.

Den meisten Lebensschützern ist dabei klar, daß sie mit ihrem Eintreten keine kurzfristigen Erfolge erzielen werden. „Es ist uns einfach wichtig, hier zu sein und ein Zeichen für das Leben zu setzen“, sagte eine Teilnehmerin der JUNGEN FREIHEIT, die für den Marsch nun schon zum wiederholten Mal eigens aus Nürnberg angereist war.

Beim anschließenden ökumenischen Gottesdienst in der St. Hedwigs-Kathedrale stellte der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, die Verantwortung des deutschen Volkes für die Abtreibungspolitik heraus und sprach von „einer Blutschuld unseres Volkes“. Der Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht, Martin Lohmann, rief in seiner Predigt zu mutigem Eintreten für die Wahrheit und das Leben „in einer vom Werterelativismus vernebelten Welt“ auf. Für die Teilnehmer fand er nach den Anfeindungen Worte des Trosts: „Wir wissen, daß Haß und Gewalt, daß Verwirrung und Mißachtung niemals wirklich stärker sein können als die Liebe.“

www.marsch-fuer-das-leben.de

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