© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Buschkowsky provoziert
Integration: Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln erntet für seine Kritik an der multikulturellen Gesellschaft erwartbare Kritik
Felix Krautkrämer

Keine 48 Stunden war Heinz Buschkowskys Buch „Neukölln ist überall“ im Handel, da sauste auch schon die Rassismuskeule auf den Berliner Bezirksbürgermeister und Sozialdemokraten nieder.

Geschwungen hatte sie Buschkowskys „Nachbar“ Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister des an Neukölln grenzenden Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Das Buch zeichne sich durch eine „alarmistische, tendenziell rechtspopulistische Grundhaltung“ aus, empörte sich Schulz im Spiegel. Buschkowsky spitze in nicht akzeptabler Weise die Verhältnisse in Neukölln zu, wenn er über verwahrloste Jugendliche und Importbräute schwadroniere, kritisierte der Grünen-Politiker: „Aus Kreuzberger Sicht ist das Rassismus – und es spiegelt vor allem nicht unsere Lebenswirklichkeit.“

Anlaß für die Schelte ist Buschkowskys gewohnt deutliche Sprache, mit der er die Probleme in seinem Bezirk wie Deutschenfeindlichkeit, Integrationsverweigerung, Ausländergewalt sowie Islamisierungstendenzen anprangert und mit der multikulturellen Gesellschaft abrechnet. „Solange wir eine Politik des Alles-Verstehens und des Alles-Verzeihens betreiben und den Menschen signalisieren, daß wir gar nicht daran denken, die Verhältnisse zu ändern, weil diese Verwahrlosung der Sitten zur kulturellen Identität und zur Weltoffenheit gehören, so lange werden wir für eine wirklich erfolgreiche Integrationspolitik nur verhalten Mitstreiter finden“, warnt Buschkowsky in seinem Buch.

Mit solchen Sätzen eckt der altgediente Sozialdemokrat allerdings nicht nur bei der politischen Konkurrenz von links an. Kritik kommt auch aus der eigenen Partei. Berlins türkischstämmige Integrationssenatorin Dilek Kolat bezeichnete sich in dem Boulevardblatt B.Z. als lebenden Gegenbeweis für Buschkowskys These, Einwanderer gerieten auf die schiefe Bahn, wenn sie benachteiligt würden. Das hatte Buschkowsky zwar nirgends behauptet, dennoch betonte Kolat, sie habe als Neuköllnerin trotz schlechter Ausgangschancen ihren „Weg gemacht“. Die Aussage, Armut führe fast automatisch in die Kriminalität, sei jedenfalls „seit Jahrzehnten klar widerlegt“. Buschkowsky blende zudem aus, daß es in Neukölln auch viele positive Entwicklungen gebe. Konkrete Beispiele nannte die SPD-Politikerin jedoch nicht.

Um diese geht es Buschkowsky aber auch nicht. Er will mit seinem Buch auf die Kehrseite der verfehlten Integrationspolitik aufmerksam machen. Wer sich um die Verkehrssicherheit an einer Straßenkreuzung kümmern müsse, betrachte dort die Zahl der Unfälle, anstatt sich an den Fahrzeugen zu erfreuen, die diese unfallfrei passierten, begründet er seinen Ansatz. Den Nerv der Leser scheint Buschkowsky damit getroffen zu haben. Drei Tage nach der Veröffentlichung kletterte „Neukölln ist überall“ am Montag an die Spitze der „media control“-Sachbuchliste, in der die Absatzzahlen von über 3.500 Buchhändlern und Internet-Verkaufsportalen einfließen.

Die Kritik einiger Integrationslobbyvereine dürfte ihn angesichts dieses Erfolgs daher eher wenig kümmern. So hatte beispielsweise das Deutsch-Türkische Forum in der CDU Nordrhein-Westfalens Buschkowsky vorgeworfen, mit dem Feuer zu spielen und Vorurteile zu schüren. Wie sein Parteifreund Thilo Sarrazin versuche auch er, „mit populistischen Thesen ein Buch auf dem Rücken der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte mit Verallgemeinerungen und Beleidigungen zu vermarkten“, beklagte die stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung, Cemile Giousouf.

Im Interview mit der Zeit zeigte sich Buschkowsky von solchen Anwürfen unbeeindruckt. Denen, die sich nicht an die Regeln hielten, müßten hin und wieder die Ohren langgezogen werden, sagte der gebürtige Neuköllner. Integrationspolitik komme ohne Sanktionen nicht aus. In dieser Angelegenheit verfolge er eine klare Linie und diese laute: „Familien, die Jahrzehnte hier leben und ihren Kindern den Weg in die Gesellschaft versperren, würde ich gerne beim Kofferpacken helfen.“

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