© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Konservatives Urgestein
Bundestagswahl: Der CSU-Abgeordnete Norbert Geis muß um seine erneute Nominierung kämpfen
Ansgar Lange

In der Politik, im Sport und in der Wirtschaft das gleiche Bild:. Es fehlt an „Typen“, an Menschen mit Ecken und Kanten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis, der auch Kolumnist dieser Zeitung ist, ist ein solcher Charakterkopf. Daß er nun um seine erneute Nominierung als Kandidat für die Bundestagswahl im kommenden Jahr kämpfen muß, sagt auch etwas über den Wandel seiner Partei aus.

Doch diejenigen, die Geis als bayerischen Taliban, als Reaktionär oder Betonkopf schmähen, werden dem 73 Jahre alten Politiker aus Unterfranken nicht gerecht. Geis scheut keinen Konflikt, wenn es um Inhalte und Überzeugungen geht. Doch er provoziert nicht um der Provokation willen. Und er ist so sensibel, daß er unter böswilligen Verunglimpfungen leidet.

Im persönlichen Gespräch wirkt der drahtige Mann, dem man sein Alter nicht ansieht und der immer noch auch jeden Samstag in seiner Aschaffenburger Anwaltskanzlei arbeitet, besonnen und zurückhaltend. Aber man merkt sofort: Dieser Mann weiß genau, was er will. Und er spricht Wahrheiten auch dann aus, wenn sie unbequem sind und Widerspruch erzeugen.

Wenn sich Geis, der seinen Wahlkreis seit 25 Jahren im Bundestag vertritt, zur Homo-Ehe, zum Papst, zu Fragen der inneren Sicherheit, zur Familienpolitik oder zu Problemen bei der Integration äußert, dann echauffieren sich zumeist vor allem der politische Gegner und die Medien. „Ich bin der festen Überzeugung, daß die Mehrheit der Bevölkerung meine Vorstellungen teilt“, kommentiert er derlei Anwürfe selbstbewußt. Und in der Tat: Wer keinen „Draht“ zur Basis hat, der wäre nicht 1971 zum Bürgermeister von Edelbach gewählt worden, der hätte nicht viele Jahre im Gemeinderat, im Kreistag oder im Landtag verbracht und der wäre schon gar nicht seit 1987 als stets direkt gewähltes Mitglied des Bundestages tätig.

Dem gläubigen Katholiken, der verheiratet ist und vier Kinder sowie mittlerweile vier Enkel hat, ist die Familienpolitik ein Herzensanliegen. Auf die Feststellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, er stehe für ein „sehr konservatives Familienbild“, hat Geis schlagfertig gefragt, was denn daran konservativ sei: „Meine Frau und ich haben vier Kinder. Wir führen ein modernes Familienleben. Meine Frau war und ist berufstätig. Sie hat sich jeden Tag ins Auto gesetzt und ist von Edelbach-Kleinkahl nach Aschaffenburg hier in mein Anwaltsbüro gefahren. Die Kinder haben wir bei den Großeltern gehabt, und mit drei Jahren sind sie in den Kindergarten gegangen, den meine Frau mit anderen Müttern zusammen gegründet hat, damit wir im Dorf auch einen Kindergarten haben.“

Während seine eigene Partei in den vergangenen Jahren (Stichwort Mindestlohn, Frauenquote, Homo-Ehe und Schutz des ungeborenen Lebens) deutlich nach links gerutscht ist, ist sich Geis treu geblieben. Daher hat er auch nichts übrig für ideologische Debatten über das Betreuungsgeld. Der CSU-Politiker will Betreuungsmöglichkeiten verbessern, plädiert aber zugleich für das Betreuungsgeld als Ausgleich für die Frauen, die ihr Kind zu Hause erziehen und nicht in die Kita geben. Denjenigen, die dies als „Herdprämie“ verunglimpfen, entgegnet er sachlich, daß die Höhe des Betreuungsgeldes zu niedrig sei. Früher habe der Bund Erziehungsgeld in Höhe von 300 Euro monatlich gezahlt.

Wer ein solches Lebensmodell für reaktionär hält, der blendet Teile der Wirklichkeit aus, die nicht ins eigene Weltbild passen. Im Gegensatz zu vielen Berufspolitikern hat sich Geis als selbständiger Rechtsanwalt die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit gesichert. Er macht seine Arbeit aus Überzeugung und nicht, um Karriere zu machen. So etwas verschafft Unabhängigkeit im Denken und Handeln. Dabei schwimmt er nicht immer gegen den Strom. So trägt er etwa die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung im Parlament mit.

Wirklichkeit und veröffentlichte Wahrnehmung passen manchmal nicht überein, wenn es um Norbert Geis geht. Heutzutage fordern selbst viele „Liberale“ ein Aufführungsverbot des heftig kritisierten Mohammed-Films. Als Geis 1993 kritisierte, daß die Popsängerin Madonna bei Auftritten mit einem Rosenkranz oder Kreuz im Genitalbereich herumfuchtelte, wurde ihm das von manchen so ausgelegt, als habe er ein Konzertverbot gefordert.

Parteifreunde, die von den eigenen Leuten zum Abschuß freigeben wurden, können sich auf Geis verlassen. Dies war jüngst der Fall bei den Anfeindungen gegenüber Katherina Reiche, nachdem diese sich gegen die völlige Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften mit der Ehe ausgesprochen hatte. Mit Blick auf die Kampagne gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann sagte Geis, er habe etwas dagegen, Menschen durch die Gegend zu treiben, zu hetzen und „zum Schluß kaputtzumachen“.

Am Montag steht das konservative Urgestein wieder zur Wahl. Die CSU-Kreisverbände Aschaffenburg Stadt und Land stellen die Kandidaten für die Bundestagswahl auf. Geis hat drei Gegenkandidaten. In Aschaffenburg wird daher auch die Frage beantwortet werden, ob die Union noch Verwendung hat für einen ihrer letzten Konservativen.

 

Norbert Geis

Der CSU-Politiker Norbert Geis, Jahrgang 1939, gehört seit 1987 dem Bundestag an. Zuvor studierte er Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaft und arbeitet seither als Anwalt in Aschaffenburg. Für die CSU, der er seit 1967 angehört, saß er von 1981 bis 1986 außerdem im Bayerischen Landtag.

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