© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Feigheit will sich niemand nachsagen lassen
Chinesisch-japanischer Inselkonflikt: Alte Feindschaften und interne Machtkämpfe sorgen für heftige bilaterale Dissonanzen / Taiwan fordert Teilhabe
Albrecht Rothacher

Die Sentaku sind hübsch anzuschauen: mittelgroße bewaldete, unbewohnte Felseninseln. Aus den 30er Jahren gibt es noch Spuren japanischer Fischer, die dort in den Sommermonaten Fisch trockneten oder vor Taifunen Zuflucht suchten. Japan hatte die Inseln 1895 als herrenloses Territorium in Besitz genommen. China hatte damals andere Sorgen und protestierte nicht.

Peking entdeckte seinen Anspruch auf die von ihm Diaoyu genannten, unweit von Taiwan liegenden Inseln erst, als Anfang der 80er Jahre auf dem Meeresgrund größere Erdgasfelder entdeckt wurden. Um des Friedens willen akzeptierte Japan eine gemeinsame Ausbeutung dieser Felder, wobei es die Chinesen unter der Hand verdächtigte, mehr Erdgas zu fördern, als ihnen zustand. Um die Inseln, von denen eine von der US-Luftwaffe als Bombenziel verwendet wird, selbst blieb es weitgehend ruhig.

Alles änderte sich, als vor einigen Monaten durchsickerte, die japanische Eigentümerfamilie der drei größten Sentaku-Inseln wolle verkaufen. Als dann das Gerücht auftauchte, es gäbe chinesische Interessenten, da machte Tokios patriotischer Gouverneur Shintaro Ishihara, der keine Gelegenheit ausläßt, um die Chinesen zu ärgern, eine Kaufofferte über 20 Millionen Euro. Zusätzlich sammelte er Spenden, um die Inseln vernünftig zu entwickeln, mit Hafenbauten, Leuchttürmen und Übernachtungsmöglichkeiten. Um die Provokation zu vermeiden, machte die Regierung von Yoshihiko Noda der Familie ein geringfügig generöseres Angebot. Man wurde schnell handelseinig.

Chinas Reaktion auf die effektive Nationalisierung der Inseln überaschte Tokio völlig. Man habe Peking hundertmal erklärt, daß der Kauf nur erfolgt sei, um Ishiharas Pläne zu vereiteln.

Die chinesische Führung erklärte den Inselkauf zu einer Verletzung der chinesischen Souveränität und territorialen Integrität, nannte ihn illegal und ungültig und drohte Konsequenzen an. Sie gab das Internet für die antijapanische Agitation und die Straßen für Demonstrationen frei. Der Haß auf Japan, als der erfolgreichere, wohlhabendere kleinere Nachbar, ist in China schnell entfachbar. Bald wurde im Netz zum Krieg und zur Zerstörung japanischen Eigentums aufgerufen. In Tsingtao wurde die Fabrik von Panasonic angezündet, japanische Autos beschädigt und ein Jusco-Supermarkt geplündert. Zudem versuchten 20.000 Demonstranten bei der größten spontanen Demonstration seit 23 Jahren, die japanische Botschaft in Peking zu stürmen. Es gelang ihnen jedoch nicht, den Kordon von 2.000 Polizisten zu durchbrechen. Stattdessen wurden die Botschaft und sämtliche Konsulate mit Eiern und Farbflaschen traktiert. Japanische Restaurants und Geschäfte schlossen und hängten zu ihrem Schutz die chinesische Flagge über Schaufenster und Neonbeschriftungen.

Zu den Sentaku selbst haben zuerst die Chinesen Fischerboote und vier Schiffe der Küstenwache geschickt, Taiwan, da ein Stück vom Kuchern abhaben will, folgte wenige Tage. Auch die japanische Küstenwache kreuzt dort. Über Lautsprecher fordern sie sich auf, die eigenen Hoheitsgewässer umgehend zu verlassen, Wasserwerfer kommen zum Einsatz. Japan hat seinem amerikanischen Bundesgenossen versprochen, ruhig zu bleiben und die Situation nicht weiter zu eskalieren.

Auch China hat seine Demonstranten – vorübergehend – wieder zurückgepfiffen. Doch kann die Führung, die so hemmungslos eskalierte, nicht schnell zurückrudern, um während der aktuellen parteiinternen Machtkämpfe im Übergang von Hu Jintao auf Xi Jinping nicht das Gesicht zu verlieren. Feigheit vor dem Erzrivalen will sich niemand nachsagen lassen.

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