© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Die Bahnhofsuhr des Hans Hilfiker
Modernes Design: Für das Symbol seiner neuen Software soll sich Apple bei der Schweizer Bundesbahn bedient haben
Richard SToltz

Im Jahre 1844 konstruierte ein Berner Ingenieur namens Hans Hilfiker für die noch ganz junge Schweizerische Bundesbahn (SBB) eine Bahnhofsuhr, deren Design recht attraktiv geriet. Bald hingen in allen Stationen der SBB die Hilfiker-Uhren, und so blieb es fortan. Bis heute zeigen diese Uhren stets ordentlich die genaue Zeit an.

Doch plötzlich, volle 168 Jahre nach ihrer Erschaffung, ist die Hilfiker-Uhr groß ins Gerede gekommen, und das hat mit ihrem Hang zur Selbstreklame die Computer- und Smartphone-Firma Apple getan. Sie hat die Hilfiker-Uhr zum Symbol ihres neuen Betriebssystems fürs iPhone und iPad gemacht, und nun meldet sich die Leitung der SBB aus Bern und verlangt Schadenersatz und Lizenzgebühr. Der Prozeß läuft gerade an, es soll um stattliche Summen gehen.

Mehr als jede Geldsumme interessiert an der Affäre aber wohl, wem sie werbetechnisch nützt oder eventuell schadet. Apple-Konkurrenten kichern schon schadenfroh, weil sie glauben, der Apple-Vorstand habe mit seiner Entscheidung für Hilfiker peinlich danebengegriffen. Das hypermoderne Smartphone hier – die uralte Bahnhofsuhr dort: das passe doch nicht zusammen, das lasse Apple geradezu vorgestrig erscheinen.

Es kann aber auch genau umgekehrt sein. Die hochbejahrte SBB-Bahnhofsuhr ist ja längst ein Symbol für Solidität und unbeirrbar exakte Zeitangabe über die Epochen hinweg, und dabei vom Charme vergangener Belle-epoque-Tage umweht, als alles noch behäbig und gediegen zuging. Das ist ja genau das, was den heutigen Produkten aus der Info-Industrie so sichtbar abgeht. Statt eines Schwalls von Werbesprüchen einfach eine Bahnhofsuhr à la Hilfiker über die neuen Produkte zu hängen: das Kalkül könnte auch aufgehen.

Eines ist jetzt schon sicher. Profitieren wird auf jeden Fall die SBB Den meisten ihrer zahlreichen Kunden auf den Schweizer Bahnhöfen ist die Hilfiker-Uhr bisher noch gar nicht aufgefallen, künftig wird man aufmerksamer sein, schließlich will man das Smartphone von 1844 besichtigen.

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