© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Was man bisher von dem Buch Buschkowskys zu sehen bekommen hat, überrascht kaum, und es bleibt zu hoffen, daß sich die konservative Begeisterung in schicklichen Grenzen hält, wenn wieder einer von der Gegenseite sieht, was vor aller Augen steht, aber nur die Rechte thematisierte, während der feige Rest politisch-korrekt geschwiegen hat. Natürlich sind Buschkowskys Beispiele bunt und lebensnah und erfahrungsgesättigt, aber an der Analyse muß nur zweierlei interessieren: Die entscheidenden Bruchlinien innerhalb der Gesellschaft sind weder sozialer noch kultureller Natur, sondern ethnischer – völkischer, nationaler, rassischer –, und Segregation – also Apartheid, mehr oder weniger freiwillige – ist unsere Zukunft, hinzuzufügen wäre: bis die Noch-Mehrheits-Ethnie endgültig den Stab abgibt.

Erläuterungsbedürftig: „Jedenfalls fließen aus Hollywood, von der Wall Street und aus anderen jüdischen Quellen hohe Summen an die Demokraten …“ (Robert B. Goldmann in der Frankfurter Allgemeinen vom 15. September 2012)

Lafontaine I: Normalerweise gehört es zu den Stereotypen konservativer Kritik, den „Zeitgeist“ anzuklagen, in tröstender Absicht Goethe zu zitieren und festzustellen, daß der Gegner, also die Linke, die Begriffe besetzt. Nun kommt Oskar Lafontaine und behauptet, daß die Linke machtlos sei, weil ihr der Zeitgeist entgegenstehe, wendet sich auch hilfesuchend an Goethe und kommt dann auf die kulturelle Deutungshoheit, die das Monopolkapital in seinen Klauen halte. Es lohnt sich kaum, die Fehler dieser Lageanalyse im einzelnen nachzuweisen, aber wenn es nicht nur um Wirklichkeitsverlust oder Haltet-den-Dieb geht, dann könnte man in dem Lamento Anzeichen dafür sehen, wie weit die Linke von der Wirklichkeit der Macht entfernt ist.

Lafontaine II: Zu Lafontaines These „Bekanntlich entsteht eine revolutionäre Situation dann, wenn die da unten nicht mehr wollen und die da oben nicht mehr können“, muß man sagen, daß das keineswegs „bekanntlich“ so ist. Eher handelt es sich um eine kaum haltbare Annahme, worüber schon oberflächliche Kenntnis der Revolutionssoziologie belehrt. Es mag wohl sein, daß ein politisches System implodiert, weil „die da oben nicht mehr können“, aber daß eine Umwälzung die Folge davon ist, daß „die da unten nicht mehr wollen“, fällt unter Politkitsch. Massenstreiks, Hungerrevolten, Gefangenenaufstände, all die von der Linken verklärten Gewaltausbrüche derer, die „nichts zu verlieren haben, als ihre Ketten“, mögen Opfer fordern, Zerstörungen anrichten, Feinde über die Grenze locken, aber eine Revolution im Sinn einer vollständigen Veränderung der bestehenden Ordnung bewirken sie nicht. Die kommt erst zustande, wenn die mittleren Schichten ihren Status durch ein korruptes Regime bedroht sehen, rebellisch werden und bereit – was ihnen naturgemäß schwerfällt – jenen „aktiven Individuen und Gruppen“ (Serge Moscovici) zu folgen, denen sie in ruhigeren Zeiten kaum Gehör schenken.

Der notorische Bernd Rüthers hat sich wieder einmal seinem Lieblingsthema, also Carl Schmitt, zugewandt und gleich noch dessen Schüler Ernst Forsthoff ins Visier genommen. Nun konnte man bei Rüthers schon häufiger den Eindruck gewinnen, daß er seiner Obsession intellektuell nicht gewachsen ist, aber absurd wird es, wenn er jetzt behauptet, Forsthoff habe in seinem Buch „Der Staat der Industriegesellschaft“ nicht verstanden, welcher Wandel das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft seit dem 19. Jahrhundert bestimmte, und sei hinter der notwendigen Einsicht in den Charakter der politischen Moderne zurückgeblieben. „Die Gesellschaft freier und gleicher Bürgerinnen und Bürger gestaltet sich ‘ihren’ Staat. Im demokratischen Rechtsstaat sind Staat und Recht Produkte der Gesellschaft, mit denen sie das Gemeinwesen ordnet.“ Noch die simpelste Einsicht eines Forsthoff ist solchem normativen Gewäsch haushoch überlegen.

Kleines Aide Mémoire nach einer offiziellen Führung durch die Zeitgeschichtsabteilung des Deutschen Historischen Museums zu Berlin: Die Nachkriegsära begann nach der Befreiung mit dem Wiederaufbau der irgendwie durch Hitler zerstörten Städte, außerdem waren Flüchtlinge unterzubringen, die irgendwie aus dem Osten gekommen waren, es gibt rätselhafte Hinweise auf Hunger und Not in der Besatzungszeit, weshalb pittoreske Überreste an Brot- und Kleiderkarten vorgewiesen werden; erwartbar versagten die Deutschen bei der Abstrafung der Nazis, bis ihnen die Alliierten unter die Arme griffen; es gebe da sicher die Frage, meint der promovierte Erklärer mit strengem Blick, warum nur deutsche Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt wurden, aber auch hier hilft ihm sein Mantra: „Schließlich hatten wir angefangen.“

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 12. Oktober in der JF-Ausgabe 42/12.

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