© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

„Erst am Anfang der Euro-Debatte“
Europa-Berichterstattung: Reichlich spät bemerken deutsche Leitmedien, daß sie das Publikum an der Nase herumführen
Christian Dorn

Man kann sehr wohl proeuropäisch und gegen den Euro sein.“ So lautet das ungewöhnliche Bekenntnis von Rolf-Dieter Krause. Ungewöhnlich, weil die ARD-Zuschauer solche Aussagen aus dem Mund eines Brüssel-Korrespondenten, geäußert auf dem jüngsten Mainzer Mediendisput, selten zu hören bekommen.

Der Investigativjournalist Thomas Leif hatte eine Reihe selbstkritischer Journalisten versammelt, um die Frage zu klären, ob die „deutschen Medien“ beim Euro versagt haben. Leider kam die Beantwortung der Frage ein wenig zu kurz. Trotzdem erfuhren die Teilnehmer viel über den Alltag der Europa-Korrespondenten: Die Publizistin Claudia K. Huber etwa berichtete, daß Journalisten in Brüssel eine Neuorientierung hin zur Pro-EUHaltung erleben, was Leif zugespitzt kommentierte: „Sie assimilieren sich in die politische Klasse.“

Dies bestätigte Stern-Korrespondent Hans-Martin Tillack („Raumschiff Brüssel“, 2003). Bei seiner Ankunft in der EU-Zentrale habe ihn überrascht, wie viele deutsche Journalisten dort Wert darauf legen, Teil der politischen Klasse zu sein. Selbstkritisch fügte er an, daß die Presse damals keinen Willen gehabt habe, die Kritik an der Kunstwährung Euro aufzugreifen, weil alle Angst hatten, „als Anti-Europäer gebrandmarkt zu werden“. Dabei, so Tillacks Fazit heute, habe „kein Projekt“ in Europa „jemals soviel Unfrieden gesät wie der Euro“. Insofern stünden wir „erst am Anfang der Euro-Debatte“. Die werde aber erschwert durch die „geschickte Bearbeitung der Öffentlichkeit von Merkel und Schäuble“. Die Selbstdarstellung Schäubles „als derjenige, der das deutsche Geld behütet“, sei geradezu „ungeheuerlich“.

ARD-Korrespondent Krause beklagte „die gesellschaftliche Ächtung“ der Euro-Kläger wie Starbatty, Hankel, Schachtschneider und anderer, die ja recht behalten hätten: „Aber danken wir es ihnen? Nein wir stellen sie in die Igitt-Ecke – deshalb haben wir in Deutschland auch keine vernünftige Debatte in dieser Frage.“

www.mediendisput.de

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