© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Debatte über den Mohammed-Film: Soll man härter gegen Blasphemie vorgehen?
Handeln wie ein abgeklärtes Kulturvolk
Erik Lehnert

Die Debatte um das Verbot des Films „Die Unschuld der Muslime“ ist Ausdruck unserer geistigen Situation, vor der niemand fliehen kann: Über Blasphemie wird nur debattiert, wenn uns andere daran erinnern, daß Religion durchaus ein Kriegsgrund sein kann.

An blasphemische Darstellungen des Christentums sind wir so gewöhnt, daß sie uns kaum die Zornesfalten auf die Stirn treiben. Insofern gilt auch hier der von Carl Schmitt so gern zitierte Satz: „Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt.“ Müssen sich das, was wir uns als Christen bieten lassen, auch andere gefallen lassen? Oder ist es an uns, das Verhältnis zur Blasphemie zu überdenken und dagegen wieder rigoroser vorzugehen?

Nun war Gotteslästerung spätestens seit der Aufklärung in Deutschland ein umstrittenes Vergehen, da es im Grunde einen Konsens über Gott voraussetzt und den bestraft, der dagegen verstößt. Nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Erforschung von Religionen hat sich die Sachlage geändert. Sind Aussagen, die historischen Tatsachen entsprechen Gotteslästerung? Darf man den Juden, dem Volk Gottes, seine blutige Geschichte vorhalten? Ist es erlaubt, die Papstkirche an ihre Verfehlungen zu erinnern?

Sollte man den Koran wörtlich nehmen und entsprechend auslegen? Der Grat zwischen dem, was man der Meinungs-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit zugestehen wird, und dem, was lediglich der Verächtlichmachung dient, ist schmal und fraglich bleibt, ob der Gläubige und seine Gefühle der rechte Maßstab dafür sind. Deshalb stand bei der Straftat Gotteslästerung oftmals der Schutz der Institution als Rechtsgut im Mittelpunkt. Man durfte die Kirche genauso wenig verächtlich machen, wie die Armee oder andere staatliche Institutionen.

Der jetzige Paragraph 166 des Strafgesetzbuches schützt seit der Reform 1969 den öffentlichen Frieden. Keiner soll den Gläubigen so beschimpfen, daß dieser gefährdet wird. Durch die Tatsache der multikulturellen Gesellschaft ist dieser Ansatz überholt. Sie neigt dazu, aus Angst vor dem großen Knall über alles den Schleier der Beliebigkeit zu ziehen. Sie ist letztlich durch eine Minderheit erpreßbar, weil einige Moslems die stillschweigende Grundannahme nicht erfüllen, daß man auf Worte nicht mit Mord antwortet. Es ist auch nicht leicht einzusehen, wie sich ein Gläubiger von einem Ungläubigen, der ja gerade nicht wissen kann, welche Herrlichkeit sich hinter Gott verbirgt, in diesem Maß provozieren läßt. Nun ist der Stein des Anstoßes, der Film, sicherlich eine polemische Zuspitzung dessen, was man als kritische Islamwissenschaft bezeichnen würde. Muß der Film also wegen der Intention verboten werden?

Muß man sich dazu auf das Feld der Mutmaßungen über religiöse Gefühle begeben? Reicht es nicht, im Zweifelsfall auf den Jugendschutz zu setzen und darauf hinzuweisen, daß niemand gezwungen ist, diesen Film zu schauen? Denn eins steht fest, man kann sich dieser Provokation entziehen.

Das ist mit der Propaganda für Schwulenehe, Gender Mainstreaming und Schuldkult ganz anders. Damit werden wir täglich von staatlicher und halbstaatlicher Seite bombardiert und niemand sieht darin, was es konsequenterweise wäre, eine Gotteslästerung. Wenn Gott Mann und Frau gemacht hat, ist es eine lästerliche Äußerung, das Gegenteil zu behaupten. Oder führt das zu weit?

Eine Verschärfung des Blasphemiegesetzes im Sinne des Rechtsgutes Gott hieße also, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Wir können einem Staat, dem nichts heilig ist, nicht zubilligen, darüber zu befinden, was Gotteslästerung ist. Die Folge wären Bigotterie und Schnüffelei, weil es nicht selten auf den Kontext ankommt, in dem etwas blasphemisch ist.

In der Wissenschaft mag etwas gestattet sein, was in der politischen Auseinandersetzung verboten ist. Wohin das führt, zeigt der Paragraph 130 im Strafgesetzbuch, der ja im Grunde heute das schützt, was früher die Blasphemiegesetze betraf: dasjenige zu schützen, auf dem das Gemeinwesen gründet. Die Blüten, die daraus erwachsen, sind traurig genug, als daß man sie in jeder anderen Debatte auch haben möchte.

Insofern kann die Forderung in der jetzigen Situation nur lauten: Der Staat sollte sich auf sein ureigenstes Gebiet beschränken und Ruhe, Ordnung und Sicherheit für seine Bürger garantieren.

Das bedeutet nun gerade nicht, sich von einem gewalttätig vorgetragenen Ehrbegriff beeindrucken zu lassen und deshalb mißliebige Meinungen zu verbieten. Diejenigen, die zur Gewalt aufrufen oder gewalttätig werden (darunter sollte auch das aktive Stören von Gottesdiensten fallen) und damit das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen, müssen hart bestraft werden.

Es kann klug sein, jemanden nicht zu provozieren. Wenn man es jedoch aus Angst tut, begibt man sich damit in die Abhängigkeit des Anderen, der dann darüber befindet, was wir erfahren dürfen und was nicht. Insofern ist es nicht Ausdruck westlicher Schlappheit, wenn man Blasphemie mit der Abgeklärtheit eines alten Kulturvolkes betrachtet. Sanktionen und Verbote sind eines nie gewesen: ein Weg zurück zu Gott.

 

Dr. Erik Lehnert, Jahrgang 1975, Philosoph und Historiker, ist seit 2008 Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik. Auf dem Forum schrieb er zuletzt über Frauen als Elitesoldaten in der Bundeswehr („Männliche Bastion“, JF 21/12).

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