© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Hier baut die Jugendbewegung!
Auf der Burg Ludwigstein haben Mädel und Jungen in über 40.000 Arbeitsstunden das größte Strohballenhaus der Welt errichtet
Hilde Peters

Stein auf Stein und Ludwigstein wird fertig sein: Die Burg der Jugendbewegung bei Witzenhausen im hessischen Herzen Deutschlands wächst wieder ein Stück weiter. Ein neuer Anbau beherbergt nun Räume für das Archiv der deutschen Jugendbewegung, Büros für die Jugendbildungsstätte Ludwigstein, ein nagelneues Tonstudio, blitzsaubere Sanitäranlagen und eine funkelnde Küche für die Zelter.

Hunderte Bau-Laien zogen ihn unter Anleitung von Ingenieuren und Zimmerleuten in knapp zwei Jahren hoch. Lediglich das Fundament, die Sanitärinstallationen, Dachdeckerarbeiten und das Anfertigen von Türen und Fenstern übernahmen Profis. Auf der Baustelle ging es dabei zu wie im Bienenstock: Woche für Woche haben sich die unterschiedlichsten Jugendgruppen die Kelle in die Hand gegeben; stets emsig und begeistert beim Malern, Mauern und Meißeln. Selbst während der Frauenwoche liefen die Betonmischer heiß, um den dritten Bebauungsring um die Burg Ludwigstein zu komplettieren. Alle hatten das gleiche Ziel vor Augen: den Enno-Narten-Bau.

Der Bau erinnert an den Bauingenieur und Wandervogel Enno Narten, der 1908 während einer Pfingstexkursion auf Burg Hanstein von dem Geologen Hans Stille auf den benachbarten, damals leer stehenden Ludwigstein angesprochen wurde: „Narten, das wäre doch etwas für Sie und Ihren Wandervogel, so eine verlassene Burg!“ In der Kriegsweihnacht 1914 schwor sich Narten mit sechs anderen „Feldwandervögeln“ an der französischen Front, die Burg Ludwigstein als lebendiges Ehrenmal für die gefallenen Wandervögel wieder aufzubauen. Narten kehrte als einziger aus dem Ersten Weltkrieg zurück, gründete im April 1920 schließlich die „Vereinigung zum Erwerb und Erhalt der Burg Ludwigstein“ und begann den Schwur einzulösen. Schon damals war es ein Jugendbauprojekt: „Aus allen Richtungen strömten plötzlich junge Helfer aus den Jugendbünden auf den Ludwigstein, um froh und doch mit großer Ernsthaftigkeit an ihrer Burg zu bauen“, heißt es in der Chronik auf der Internetseite der Burg.

Fast ein Jahrhundert nach dem legendären Schwur Nartens und seiner Freunde konnte nun das neue Seminar- und Werkhaus eingeweiht werden. Bei der Errichtung von rund tausend Quadratmetern Nutzfläche achteten die Verantwortlichen sorgsam darauf, daß mit Holz, Stroh und Lehm fast nur Materialien aus der Natur zum Einsatz kamen.

Der ökologische Bau gilt als das größte strohballengedämmte Passivhaus der Welt, ausgezeichnet als Unesco-Modellprojekt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Alles sollte möglichst aus heimischen Produktion stammen. Dafür wurden sogar die Steine für den Fußboden vor Ort aufgenommen, behauen und neu verlegt.

Mehr als 40.000 Arbeitsstunden leisteten die Freiwilligen auf der Baustelle seit der Grundsteinlegung im Jahr 2010. Neben Wandergesellen, Schulklassen war es vor allem die bündische Jugend: „Jede Stunde, die ich auf dem Enno gearbeitet habe, habe ich auch für mich getan, und ich kann sehr vieles von der Burg mit zurück nach Hause nehmen“, faßt ein junger Bauarbeiter seine Eindrücke zusammen. Sogar am Wochenende vor der Einweihung kamen laut elektronischen Bautagebuch 35 Helfer zusammen, um „nochmal kräftig zu schuften“. Der Feinschliff stand auf dem Plan: Staub fegen, und Pinselarbeiten. Zudem errichteten sie eine Feuerstelle vor dem Bau, in der bald schon wärmende Flammen loderten.

www.burgludwigstein.de

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