© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Sachsen gibt Studenten Entscheidungsfreiheit
Hochschulen: Die Zwangsmitgliedschaft in der verfaßten Studentenschaft ist an den Universitäten im Freistaat künftig auf ein Semester begrenzt
Paul Leonhard

Sachsen räumt seinen Hochschulen mehr Autonomie ein und plant gleichzeitig eine kleine Revolution: Mit der Zwangsmitgliedschaft in der verfaßten Studentenschaft (Asta) soll künftig Schluß sein. „Der Austritt aus der verfaßten Studentenschaft kann nach dem ersten Semester von den Studenten vorgenommen werden“, lautet der entsprechende Passus in dem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz. Denn aus Sicht von CDU und FDP ist der Asta eine „gesetzlich angeordnete Zwangsorganisation“.

Das sehen die Studentenfunktionäre der Konferenz Sächsischer Studierender (KSS) und die Opposition naturgemäß anders. Sie befürchten eine gravierende Schwächung der studentischen Selbstverwaltung. Ein Austrittsrecht mache Studenten- und Fachschaftsräte „unweigerlich handlungs- und arbeitsunfähig“, prophezeit Gerhard Besier, hochschulpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Die studentische Mitbestimmung werde deutlich marginalisiert. Von einem „Angriff auf die demokratischen Strukturen der Universität und die Selbstorganisation ihrer größten Gruppe, die Studierenden“, spricht KSS-Sprecher Daniel Rehda.

Die automatische Mitgliedschaft der Studierenden in der Studentenschaft habe sich bewährt. Auch für die Piratenpartei ist die Austrittsmöglichkeit aus der verfaßten Studentenschaft „völlig inakzeptabel“.

Bisher war für alle Studenten in Sachsen wie in allen östlichen Bundesländern mit Ausnahme Sachsen-Anhalts die Mitgliedschaft in der Studentenschaft obligatorisch. Mit einem Pflichtbeitrag zwischen fünf und zehn Euro pro Semester wurden die Studenten- und Fachschaftsräte mit ihren Beratungs- und Serviceangeboten finanziert. Allerdings wirken die Räte aus Sicht vieler Studenten meist im Verborgenen. Nur wenige beteiligten sich an den Wahlen für die Studentenvertretung, auch wenn zu deren Aufgaben die Wahrnehmung der hochschulinternen, hochschulpolitischen, sozialen und kulturellen Belange der Studenten und die Förderung der politischen Bildung gehört. Hessen hatte daher, zumindest zwischen 2006 und 2009, festgelegt, daß die Semesterbeiträge nicht erhoben werden dürfen, wenn die Wahlbeteiligung unter 25 Prozent liegt.

Den großen Schnitt haben die Initiatoren des sächsischen Hochschulgesetzes nicht gewagt. Denn die Zwangsmitgliedschaft bleibt zumindest für ein Semester bestehen. Erst dann können die Studenten selbst entscheiden. Das sei in bezug auf den Freiheitsgedanken etwas inkonsequent, räumt der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Geert Mackenroth, ein. Man habe aber dem Studentenrat „einen Startvorteil beim künftigen Wettbewerb um Studierende“ verschaffen wollen. Letztlich gelte aber: „Wer Freiheit für die Hochschulen will, darf Freiheit für die Studenten nicht ausblenden.“ Die Studentenschaft müsse einfach für eine hohe Akzeptanz ihrer Arbeit sorgen, dann trete auch keiner aus, findet der FDP-Abgeordnete Carsten Biesok. Aus Sicht der CDU verschaffe das Gesetz dem Studentenrat eine viel höhere Legitimation, wenn dieser „sich auf Mitglieder stützen kann, die nicht durch Zwang, sondern freiwillig geblieben sind“. Eine Änderung des Status der Studentenräte sieht das neue Hochschulgesetz nicht vor. Diese bleiben der einzige autorisierte Interessenvertreter der Studentenschaft.

Ansonsten sollen die Hochschulen im Freistaat laut dem Gesetz, das in der vergangenen Woche im Landtag von CDU und FDP beschlossen wurde, künftig wie ein Unternehmen agieren können. Ab Januar dürfen sie selbst über ihre Budgets und Personalstellen entscheiden, Kunsthochschulen können neue Organisationsstrukturen einführen. Gleichzeitig wurden die Zugangsmöglichkeiten erleichtert. So können ab dem jetzt beginnenden Semester Meister, Techniker und praktisch Tätige mit vergleichbaren Abschlüssen ohne Eignungsprüfungen an Fachhochschulen studieren. Absolventen von Berufsakademien können ein Masterstudium beginnen. Auch werden die Universitäten angehalten, gemeinsam mit den Fachhochschulen kooperative Promotionsverfahren durchzuführen. Und Studienleistungen, die an Hochschulen außerhalb Sachsens erbracht wurden, sollen leichter anerkannt werden.

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