© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Grüße aus Santiago de Cuba
Gefährliche Maultiere
Alessandra Garcia

Die Mitarbeiter der europäischen und kanadischen Paketdienste werden sich in diesem Sommer gewundert haben, warum zahlreiche Kubaner bei ihnen erschienen, Dutzende von Paketen aufgegeben und sich immer genau erkundigt haben, wann denn diese spätestens den Empfänger erreichen würden. Und sie werden sich genauso gewundert haben, als die Kubaner ebenso plötzlich ausblieben.

Der Grund ist eine weitere Runde im Katz-und-Maus-Spiel, das die Regierung in Havanna mit ihrem Volk spielt. Seitdem die Gebrüder Castro die Zügel etwas lockerer halten und ihren Landsleuten Ausflüge in die Marktwirtschaft erlauben, ist die Zahl derjenigen rasant angestiegen, die als Selbständige vor allem im Dienstleistungssektor tätig sind. Und diese werden durch sogenannte Maultiere beliefert. Das sind Kubaner, die häufig ins Ausland reisen und ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, daß sie dort Sachen billig kaufen, um sie in Kuba mit großem Profit zu verkaufen: Modeartikel, Kleidungsstücke und Elektronik.

Dabei wurde geschickt eine Zollbestimmung genutzt, die vorsieht, daß Kubaner mit ständigem Wohnsitz in Kuba bei der Einreise die mitgeführten Waren lediglich in dem weitgehend wertlosen kubanischen Peso bezahlen müssen. Ausländer oder ständig im Ausland lebende Kubaner müssen dagegen als zollpflichtig angesehene Waren mit Devisen-Pesos, die etwa dem US-Dollar entsprechen, auslösen und zahlen so das Zehnfache. Zum Leidwesen der Regierung wurden so Fernsehgeräte, Kühlschränke, DVD-Spieler und elektronische Haushaltsgeräte von europäischen und japanischen Markenfirmen en masse eingeführt, während die überteuerte Technik „Made in China“ in den staatlichen Devisenläden kaum Absatz fand.

Die Juristen im Finanzministerium haben deswegen einige neue Gesetze auf den Weg gebracht, die dafür sorgen, daß vor allem der Staat verdient. Als erstes wurde Mitte Juni eine Regelung aufgehoben, die nach der Vernichtung der Ernte durch einen verheerenden Tropensturm die zollfreie Einfuhr von Lebensmittelkonserven ermöglich hatte.

Seit August müssen auch Kubaner ohne ständigen Wohnsitz im Ausland ab der zweiten Auslandsreise für alle Mitbringsel, die mehr Wert sind als 50 Dollar, Zoll in Devisen bezahlen. Und seit Anfang September gilt das auch für den Inhalt aller Pakete, die Kuba aus dem Ausland erreichen.

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