© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Kampf gegen die Bourgeoisie
Präsidentschaftswahl in Venezuela: Präsident Hugo Chávez sieht seinen sicheren Sieg gefährdet und fährt schweres Geschütz auf
Johannes Kaiser

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Venezuela kochen die Seelen hoch. Die Opposition feiert den Zulauf auf ihren Massenveranstaltungen und kritisiert die Ermordung von drei Oppositionellen. Dagegen sehen Hugo Chávez und seine regierende Vereinigte Sozialistische Partei ihren sicheren Sieg gefährdet.

Entsprechend harsch warnte Chávez bei einer Wahlkampfveranstaltung in Sucre vor einem bevorstehenden Bürgerkrieg sollte die „Bourgeoisie“ die am 7. Oktober stattfindenden Wahlen gewinnen. Denn diese wolle, so der Präsident, nur die staatlichen Leistungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und bei der Lebensmittelvergabe streichen. Diese Aussagen korrelieren mit entsprechenden Warnungen der bolivarianischen Milizen, einen Sieg des oppositionellen Kandidaten, des Gouverneurs der Provinz Miranda, Henrique Capriles, nicht anerkennen zu wollen. Die Gruppierung wurde im Jahr 2005 gegründet und besteht aus einer territorialen Miliz, die als das Volk in Waffen definiert wird, und unterteilt sich in „kämpfende Korps“, die ihre Kämpfer unter den Angestellten öffentlicher Ämter, staatlicher Industrien und an Universitäten rekrutiert.

Mitte August wurden die Milizionäre zudem ermächtigt, ihre Waffen dauerhaft zu tragen. Infolge kam es zu Übergriffen auf Oppositionelle. Gerade die Gründung der Miliz wird vom Teilen des Militärs als Demütigung empfunden und hat Oberst a.D. Chávez in diesen Reihen viele Anhänger gekostet.

Doch nicht nur beim Militär ist der Stern des Präsidenten im Sinkflug. Die extreme Politisierung der verstaatlichten Betriebe hat dazu geführt, daß notwendige Wartungsarbeiten und der normale Betrieb wegen der obligatorischen Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen ausgesetzt wurden. Diese Mißstände wurden als Ursache für den katastrophalen Unfall an der Raffinerie von Amuay ausgemacht, bei dem 48 Menschen starben und über 150 verletzt wurden.

Addiert man hinzu, daß Venezuela unter ständigen Stromausfällen zu leiden hat – entsprechend seit einem Jahr Benzin aus den so gern kritisierten Vereinigten Staaten importieren muß –, zudem unter einem rasanten Anstieg der Kriminalität stöhnt und 30,9 Prozent Inflation vorweist, versteht man die Unsicherheit des Präsidenten.

Hinzu kommt, daß der Herausforderer Henrique Capriles, als Chef des Oppositionsbündnisses Mesa de la Unidad Democrática, es bis dato meisterhaft verstanden hat von den Fehlern der Regierung zu profitieren.Capriles ist ein 40jähriger Wirtschaftsjurist, der sich politisch als Mitte-rechts definiert. Er erklärt sich als Bewunderer des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva und möchte dessen Weg zur ökonomischen Entwicklung in Venezuela umsetzen. Heißt: unternehmerfreundliche Politik gepaart mit staatlicher Umverteilung.

Vor allem angesichts der desolaten Wirtschaftslage Venezuelas kommen Capriles’ Vorschläge bei den Wählern gut an. Verschiedene Meinungsumfragen haben auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Chávez und seinem Herausforderer hingewiesen.

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