© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Lockerungsübungen
Juniorpartner Steinbrück
Karl Heinzen

Die Entscheidung der SPD, Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat aufzustellen, kann niemanden überraschen, da die beiden Alternativen als nicht ebenbürtig erschienen. Frank-Walter Steinmeier hat die Sozialdemokraten 2009 auf ein historisches Tief geführt und seither allein seinen Ruf gestärkt, lieber bieder als unseriös zu sein. Sigmar Gabriel hingegen verkörpert auch mit 53 Jahren noch den Typus des heißspornigen Nachwuchspolitikers, dem die Bürger allenfalls für die übernächste Wahl zutrauen, dem Kanzleramt gewachsen zu sein.

Peer Steinbrück jedoch mag zwar im September des kommenden Jahres bereits fast so alt sein wie Helmut Kohl bei seinem Abtritt nach 16 Jahren als Regierungs-
chef. Er hat allerdings die SPD in den Jahren ihres Abstiegs von einer am Gemeinwohl orientierten Volkspartei hin zu einer Pressure Group zur Modernisierung des Kapitalismus im Zeitalter der Globalisierung wesentlich mitgestaltet und kann daher als ein authentischer Repräsentant ihres heutigen Zustands gelten.

Nicht mehr überraschen kann ebenfalls der Prozeß der Nominierung von Peer Steinbrück. Sigmar Gabriel hat ihn nach klandestinen Sondierungen auf einer Pressekonferenz zum Kandidaten ausgerufen, ohne daß zuvor der Vorstand der Partei, geschweige denn ein Bundesparteitag, zu einem entsprechenden Beschluß gekommen wären. Eigentlich sieht die Grundgesetzordnung nicht vor, daß Parteien in aller Offenheit nach dem Prinzip des im einstigen Ostblock üblichen „demokratischen Zentralismus“ verfahren. Gravierende Verstöße gegen die innerparteiliche Demokratie können vielmehr sogar als ein Verbotsgrund gelten. Im Angesicht der Krise haben die Bürger aber ihre larmoyante Politikverdrossenheit überwunden und sind froh über jede eigenmächtige Entscheidung der Eliten, zu der sie mit ihrem Rat gar nichts beizutragen wüßten.

Diese neue Kultur des Bürgergehorsams und des blinden Vertrauens in die Politik hat jedoch Angela Merkel geschaffen, und daher dürfte auch sie es sein, die daraus bei der nächsten Bundestagswahl den größten Nutzen ziehen wird. Für die SPD bleibt die Hoffnung, das schwarz-gelbe Intermezzo zu beenden und als Juniorpartner in eine große Koalition zurückzukehren. Peer Steinbrück ist dafür der geeignete Vizekanzlerkandidat.

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