© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Frisch gepresst

Kapitalismus. In Zeiten, in denen linksliberale Theologen in spätabendlichen Talkrunden den Wohlfahrtsstaat zur höchsten christlichen Errungenschaft erheben, verfehlt die Behauptung, die Bibel unterstütze im Gegenteil eine kapitalistische Wirtschaftsordnung, ihre provozierende Wirkung nicht. Jesus, also ein Freund des Kapitals? Die Tempelreinigung, ein göttlicher Protest gegen Inflation? Der Wirtschaftswissenschaftler Robert Grözinger gibt in seinem Buch Anlaß, christliche Barmherzigkeitsmythen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Biblische Gleichnisse, in denen Gott als reicher Grundbesitzer dargestellt wird, führt der Autor als Beleg für eine kapitalismusfreundliche Grundhaltung des Christentums an. Den Versorgungsstaat von der Wiege bis zur Bahre sieht er dabei im Widerspruch zum biblischen Vorbild individuellen Gebens und macht ihn verantwortlich für die Verkümmerung echter Nächstenliebe. Der Anblick eines zum Götzen erhobenen Staates, von dem die Menschen sich materielle Sicherheit versprechen, macht für Grözinger die Sache klar: Die Befürwortung staatlicher Umverteilung und Glaube an den Schöpfergott schließen sich aus. (tb)

Robert Grözinger: Jesus, der Kapitalist: Das christliche Herz der Marktwirtschaft. FBV/ Edition Lichtschlag, München 2012, broschiert, 192 Seiten, 16,99 Euro

 

Revisionismus. Mit „Die geplante Vernichtung“ legt Christine Kluge, Angehörige der Erlebnisgeneration, ihre historischen Betrachtungen vor. Ergänzt wurde die dritte Auflage um das aktuelle Kapitel „Auf dem Weg zur Globalisierung“. Kluge versucht den roten Faden freizulegen, der sich seit 1648 durch das schwierige Verhältnis der deutschen Nation zu ihren Nachbarn zieht. Problematisch ist jedoch, daß die Autorin sich nicht auf die Dokumentation antideutscher Verbrechen beschränkt, sondern dabei und bei dem knappen Umfang des Buches auch noch stramme NS-Apologie betreibt. Die europäischen Juden seien „in den Osten evakuiert“ worden, die Bombenangriffe auf Dresden werden als „wahrer Holocaust“ bezeichnet. Derart verstrahlt bietet das Buch somit allenfalls interessante ausgewählte Zitate alliierter Funktionäre und führender Globalstrategen, darunter wertvolle Belege für die tatsächliche Bedeutung sogenannter „asymmetrischer“ Kriege. (sr)

Christine Kluge: Die geplante Vernichtung – Der Weg zur Weltherrschaft. Klosterhaus-Verlag, Lippoldsberg 2012, gebunden, 354 Seiten, 19,95 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

5. Oktober 1922: Der preußische Landtag in Berlin beklagt das Flüchtlingsproblem in Oberschlesien. So müssen die Städte Hindenburg, Beuthen und Gleiwitz insgesamt über 20.000 Vertriebene aus dem polnisch okkupierten Teil Oberschlesiens aufnehmen.

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