© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Demographie und Abtreibung
Es fehlen die Maßstäbe
Norbert Geis

Unsere Welt ist immer schnellebiger. Nichts ist von langer Dauer. Das bekommt auch die Politik zu spüren. Themen, die noch gestern brandaktuell waren, sind morgen schon wieder Vergangenheit. Im politischen Tagesgeschäft versucht jeder Akteur seine Rolle zu finden und Präsenz zu zeigen. Die Medien sind an Auflagen und Einschaltquoten interessiert. Die eigentlich wichtigen Themen geraten so schnell an den Rand der Aufmerksamkeit.

Sicher bleiben Europa und der Euro, die Energiewende, die Zukunft unseres Wirtschafts- und Sozialsystems wichtige Fragen, die auch immer wieder von den Medien aufgegriffen werden und Gegenstand politischer Auseinandersetzung sind. Das zentrale Thema der Gegenwart und der Zukunft ist aber das Geburtendefizit. In der öffentlichen Diskussion spielt es jedoch keine Rolle, obwohl wir seit 40 Jahren mehr Sterbefälle als Neugeburten haben. Zwar werden über den demographischen Wandel, wie dieses „Erdbeben“ (Herwig Birg) beschwichtigend genannt wird, Kongresse veranstaltet, wissenschaftliche Abhandlungen verfaßt und politische Reden gehalten. Immer aber sind die Folgen Gegenstand der Erörterung, nicht aber die Ursachen dieser Entwicklung.

Im vergangenen Jahr hatten wir mit 663.000 die niedrigste Zahl an Neugeborenen seit dem Krieg. Die Zahl der Abtreibungen in Höhe von 120.000 bis 130.000 jährlich bleibt jedoch konstant. Die Diskussion über die Tötung noch nicht geborener Kinder ist in Deutschland verboten. Das Thema ist tabu. Der Gender- und Homo-Wahn regiert das Land. Opfer dieses Wahns ist auch eine zukunftsweisende Familienpolitik. Wehe dem Politiker, der sich gegen diesen Mainstream zur Wehr setzt. Er wird in Grund und Boden gestampft. So wird die eigentliche Ursache der kommenden demographischen Katastrophe, in die unser ganzes soziales System und unsere Kultur unweigerlich stürzen werden, vernebelt und verschwiegen.

Unsere Kinder und Enkelkinder werden, wenn sie vor den Trümmern unseres Wohlstandes und unserer Kultur stehen, über den Unverstand unserer Generation nicht nur den Kopf schütteln, sie werden uns verurteilen. Sie werden uns vorwerfen, daß wir die Zeichen unserer Zeit nicht erkannt haben, weil uns die Maßstäbe verlorengegangen sind.

 

Norbert Geis, CSU, ist Rechtsanwalt und seit 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages.

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