© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Aiwanger fordert die Union heraus
Bundestagswahl: Der Chef der Freien Wähler geht selbstbewußt in die Wahlkämpfe des nächsten Jahres
Hinrich Rohbohm

Sie haben die Köpfe zusammengesteckt. Kurze Unterhaltung. Für einen Moment scheint es, als wären Hubert Aiwanger und seine Lebensgefährtin Tanja Schweiger unter sich. Hier im voll besetzten Weißbierstadel von Abensberg wird Aiwanger gleich reden, jetzt spielt eine Blaskapelle noch Volksmusik. Es ist Gillamoos, ein großes traditionelles Volksfest mit Zuckerbuden und Karussells. Mit großen Zelten, in denen bekannte Politiker reden. Bundeskanzlerin Merkel im Zelt der CSU, Jürgen Trittin bei den Grünen. Wolfgang Kubicki ist bei der FDP, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude bei den Sozialdemokraten erschienen.

Wenn Gillamoos ist, jedes Jahr Anfang September, dann fallen die Reden deftiger aus, die verklausulierte Politikersprache nähert sich der Sprache des Volkes an. Dann fallen auch schon mal Ausdrücke, die im Alltag längst der Political Correctness zum Opfer gefallen wären. Hubert Aiwanger liegt diese Bierzeltatmosphäre. Was die Politgrößen für die etablierten Parteien sind, das ist Hubert Aiwanger für die Freien Wähler.

Er ist ihr Bundesvorsitzender und bayerischer Landesvorsitzender in Personalunion, seit 2008 Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. Damals, vor vier Jahren, ist er mit ihnen erstmals in das Maximilianeum eingezogen. Das überraschende Wahlergebnis von zehn Prozent hatte für Furore gesorgt. Und die Frage aufgeworfen, ob die Freien Wähler zukünftig die Rolle einer dritten bürgerlichen Kraft in Deutschland wahrnehmen könnten.Das zumindest strebt Aiwanger an. „Die Freien Wähler stehen für ein liberales, wertkonservatives Bayern“, sagt er und prangert Merkels Mantra der Alternativlosigkeit an. „Komm rüber, du altes Schlachtroß, hier sitzt die Alternative“, ruft er kämpferisch vom Weißbierstadel hinüber zum CSU-Zelt. Frenetischer Beifall im voll besetzten Zelt der Freien Wähler. Merkels und Seehofers Politik sei nicht alternativlos, sondern hirnlos, legt der 41jährige nach, nennt den bayerischen Ministerpräsidenten aufgrund dessen mehrfacher Richtungswechsel nicht Seehofer sondern „Drehhofer“. 

Vor allem das Euro-Krisenmanagement und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) nimmt er aufs Korn. Als er über die Konsequenzen einer verfehlten Euro-Rettungspolitik spricht, wird Aiwanger ernst. Er warnet vor Inflation und niedrigen Renten. „Was kriege ich denn 2030 noch für 850 Euro im Monat? Eine Dose Katzenfutter oder drei Bananen vielleicht.“ Der Euro soll im nächsten Jahr zentrales Thema der Freien Wähler werden. Nicht nur zur Landtagswahl in Bayern, sondern auch zur Bundestagswahl.

Zwei Wochen nach dem Gillamoos haben die Freien Wähler zur Euro-Veranstaltung ins Haus der Wirtschaft nach München geladen. Gemeinsam mit der Bürgerbewegung „Zivile Koalition“, von der sie im Wahlkampf unterstützt werden. „Weil die Freien Wähler die einzige parlamentarische bürgerliche Kraft sind, die sich gegen den ESM und, die damit verbundene Abschaffung unseres Grundgesetzes einsetzt“, sagt deren Organisatorin Beatrix von Storch. Die Zivile Koalition zählt auch zum Unterstützerkreis der Wahlalternative 2013, in deren Reihen sich auch Mitglieder des CDU-Wirtschaftsrates und der Mittelstandsvereinigung befinden.

Pikant: Mit Gerd Robanus sitzt ein Mitglied des Vorstandes der CDU-Mittelstandsvereinigung im Sprecherrat der Wahlalternative. Da die Organisation die Freien Wähler zu ihrer „Partnerpartei“ erklärt haben dürfte unionsintern bereits Ärger vorprogrammiert sein. Robanus ist nicht der einzige aus dem Umfeld der Union, der sich aufgrund des Euro-Kurses von der CDU abwendet. Auch der Publizst Alexander Gauland und das CDU-Wirtschaftsratsmitglied Helmut Gras haben sich der Wahlalternative angeschlossen. Hinzu kommt, daß mit Stephan Werhahn ein Enkel Konrad Adenauers sein Parteibuch zurückgegeben hat und nun für die Freien Wähler für den Bundestag kandidieren wird. Und mit Florian Streibl sitzt ein Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Max Streibl (CSU) für die Aiwanger-Truppe im Landtag.

„Viele von denen sind doch ehemalige CSU-Wähler“, heißt es bei den Christsozialen, von denen kaum einer Zweifel daran hat, daß die Freien Wähler auch dem nächsten Landtag wieder angehören werden. Sollte die CSU erneut die absolute Mehrheit verfehlen, sieht man sie bereits als möglichen Koalitionspartner.

Aiwanger schließt eine Koalition mit der Union nicht aus. Aber: Auch eine Koalition mit Rot-Grün sei möglich, sagt er. Leichtes Murren im voll besetzten Saal. „Das gilt nur für Bayern. Hier kann man mit den Grünen reden. Im Norden sind die uns einfach zu sozialistisch“, sagt der gelernte Landwirt. Beifall. Er erteilt auch einem Sympathisanten der Linkspartei eine Absage, der im Haus der Wirtschaft „viele Gemeinsamkeiten“ mit den Freien Wählern entdeckt haben will. „Wieso wollen Sie mit der CSU koalieren. Ich dachte, die wollen wir endlich ablösen“, empört sich nun eine Frau um die Fünfzig. 

Aiwangers Dilemma: Die politische Ausrichtung der Freien Wähler ist in den einzelnen Landesverbänden sehr unterschiedlich. Die mit der Wahlalternative 2013 zusammenarbeitenden Freien Wähler Niedersachsen etwa haben mit Arno Ulrichs einen Vorsitzenden, der zuvor zwölf Jahre DKP-Mitglied war. Zur Wendezeit will er sein „persönliches Damaskus“ erlebt und mit dem Kommunismus gebrochen haben. Die Landesverbände in Bremen und Brandenburg wurden gar ausgeschlossen, weil sie der Bundesvereinigung als zu rechtslastig erschienen waren. Zudem trat der Landesverband Baden-Württemberg aus, weil die Freien Wähler sich an der Europawahl beteiligt hatten. Dessen Vorsitzender Heinz Kälberer will nur an Kommunalwahlen teilnehmen.

In der bayerischen Bevölkerung hingegen traut man den Freien Wählern einiges zu. „Ich glaub’ schon, daß die der CSU mächtig einheizen können“, meint ein 38 Jahre alter Familienvater auf dem Gillamoos-Fest. Und ein Handwerksmeister sagt: „Ich hab’ jahrelang CSU gewählt, damit ist nun Schluß.“

 www.freiewaehler.eu

 www.wa2013.de

Foto: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger auf dem Gillamoos: „Eine Dose Katzenfutter und drei Bananen“

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