© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Kampf um Bausubstanz
Sachsen: Einkaufszentrum bedroht Zittaus Altstadt
Paul Leonhard

In der ostsächsischen Stadt Zittau hat der Stadtrat erneut dem Abriß von bisher denkmalgeschützten Gebäuden zugestimmt. Sie sollen weichen, damit im Herzen der Altstadt ein neues Einkaufszentrum entstehen kann. Dieses soll, so die Hoffnung der Stadtväter, Geld aus dem Umland und Nachbarstädten wie Görlitz und dem nordböhmischen Reichenberg (Liberec) in die Stadt spülen. Gegen das Vorhaben läuft die Deutsche Stiftung Denkmalschutz Sturm. „Eine Überbauung der Albertstraße mit Verbindungsbrücken zwischen Parkdecks einschließlich Rolltreppen und Treppen im Straßenbereich ist indiskutabel und stört den städtebaulichen Maßstab des Quartiers nachhaltig“, heißt es in einem offenen Brief an den parteilosen Zittauer Oberbürgermeister Arnd Voigt. Die Pläne zeugten vom fehlenden Respekt vor den in der Stadt seit Jahrhunderten gewachsenen stadträumlichen Qualitäten kritisierte die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Rosemarie Wilcken. Besonders bemängelt sie, daß nach wie vor „historische Bausubstanz in erheblichem Umfang beseitigt“ werden soll. Den vorgestellten Fassadenentwürfen für das Einkaufszentrum bescheinigt sie „Phantasielosigkeit“.

Die Stiftung stärkt damit den örtlichen Denkmalschützern und vor allem dem „Stadtforum Zittau“ den Rücken. Offensichtlich soll so verhindert werden, daß der Protest in der Schublade des Oberbürgermeisters verschwindet. Insbesondere in Sachsen ist die Stiftung zwar gern gesehen, wenn sie Millionen Euro für den Erhalt von Denkmalen spendet, der Umgang, insbesondere des für die Bausubstanz zuständigen Innenministeriums, mit dem Status Denkmalschutz wird dagegen immer laxer. Allein in der im Zweiten Weltkrieg nicht zerstörten Stadt Zittau, die einst den Beinamen „die Reiche“ trug, wurden seit 1990 sechzig Baudenkmale abgerissen.

Die Zittauer Stadtverwaltung sieht sich dagegen zu Unrecht kritisiert. Der Stadt solle gestattet sein, sich entsprechend heutigen Bedürfnissen weiterzuentwickeln. Die Stiftung, die Zittau in der Vergangenheit fünf Millionen Euro aus Spenden zukommen ließ, habe „kein Recht, sich in die Belange einer Kommune einzumischen“, findet der für den Bau zuständige Stadtrat Dietrich Thiele. Zittau ist indes kein Einzelfall. Auch in Bautzen und Görlitz wird  gegenwärtig über den Bau neuer Einkaufscenter gestritten. Hier erscheinen sie den Stadtvätern ebenfalls als Allheilmittel für die leere Stadtkasse. Im niederschlesischen Görlitz ist man deswegen bereit, wertvolle Gründerzeitsubstanz zu opfern (JF 14/12).

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen