© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Spiel mit dem Feuer
Euro-Rettung: Hinter Inflationsgefahr lauern Dauerkrise und Währungsnationalismus
Wilhelm Hankel

Wenn die Leute täglich in der Tagesschau sehen könnten, wie durch die Niedrigzinsen ihr Erspartes an Wert verliert, wären sie entsetzt“, warnt der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. Der Verbraucherpreisindex bilde die tatsächlichen Verluste nicht ab. Kämen zur Null-Zins-Politik noch drei Prozent Inflation dazu, verlöre eine private Altersrente innerhalb von 20 Jahren mehr als die Hälfte ihrer Kaufkraft, so Mayer im Spiegel.

Hinter Inflationsgefahr und Flucht aus der Währung lauert die Dauerkrise, auch für den Norden des Euro-Raums. Europas Spitzenpolitiker retten den Euro, indem sie die unantastbarsten Werte des alten Kontinents – Recht, Vertragstreue, stabiles Geld – zur Chefsache erklären, zur Knetmasse ihrer Politik.

Sie verheißen Europa eine große Zukunft, indem sie den Bürgern die ihre nehmen – denn wie sollen diese zukünftig für ihre Familien sorgen, wenn ihren Einkommen und Vermögen die reale Substanz entzogen wird? Die Politiker erwarten von ihren Wählern, daß sie aufhören, ihren Verstand zu gebrauchen. Sie sollen ihnen glauben, daß Mario Dra­ghis frischgepreßte Euro-Billionen keine Wirkung auf die Kaufkraft ihrer Einkommen und Vermögen haben werden, weder jetzt noch später – und das bei einer Wirtschaftsleistung der Euro-Zone, die dank der mit dieser „Hilfe durch Inflation“ verbundenen Sparauflagen die Wirtschaftsleistung der Euro-Zone unter die Null-Linie drückt.

Ist es schon Wahnsinn, so zeigt er wenigstens Methode – jetzt kommt zur großen Euro-Lüge noch die kleine: daß diese Inflation niemals im Supermarkt stattfinden werde. Sie verbillige „nur“ das neue Schuldenmachen der alten Schuldensünder von Griechenland bis Spanien und garantiere Höhenflüge (oder Blasen?) an den Aktien-Börsen. Wer’s glaubt, wird nicht selig, sondern verliert seine Ersparnisse. Die Euro-Inflation zeigt sich schon jetzt in der Verteuerung neuer Vermögensanlagen.

Wer jetzt erst aus dem Euro flüchtet, der zahlt drauf

Wer jetzt kauft, um seine Zukunft zu sichern – Gold, Immobilien, Aktien, starke Fremdwährungen –, kauft teurer ein als noch vor kurzem. Der Gegenwert seiner Euro-Ersparnisse nimmt dadurch nicht zu, sondern ab. Freuen darüber kann sich nur, wer seine Flucht aus der sich entwertenden Euro-Währung schon seit langem hinter sich hat. Doch da die Euro-Schwäche weitergehen wird (weil das Wunder ihres Endes „von selbst“ leider ausbleiben wird), kann sich die Flucht besorgter Bürger aus ihrer verkorksten Währung nur verstärken. Was derzeit noch den offenen Ausbruch der von Europäischer Zentralbank (EZB) und ihren Rettungssatelliten (EFSF, ESM) unverhüllt finanzierten Preisinflation hinausschiebt, sind, anders als in der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre, brachliegende Produktionsreserven. Es ist die von Tag zu Tag anschwellende Fluchtwelle aus der Titanic-Währung Euro: Die Passagiere retten sich in die Boote, solange diese noch an Bord und flottzumachen sind.

Wenn sich Europa eines nicht leisten kann, dann ist das zusätzlich zu seinem Verlust an Humankapital (schrumpfende Bevölkerung) auch ein ständiger Aderlaß an Geld- und Sachkapital. Auch wirtschaftliches „Know-how“ geht dem Euro-Raum verloren, wenn zusammen mit dem Geld- auch das Firmenkapital flüchtet. Europas Spitzenpolitiker kreieren, ganz gegen ihre Intention, Europas neuen Nationalismus. Nur: Er gilt nicht, wie der alte, dem Vaterland, sondern der Sicherung bürgerlichen Überlebens, der eigenen privaten und familiären Zukunft. Man sollte jeden dieser Europa-„Visionäre“ zur Offenlegung seiner privaten Vermögensverhältnisse verpflichten: wie und wo er seine Ersparnisse anlegt. Man will als Wähler wissen, ob, wer Europas Zukunft predigt, auch selber an diese glaubt.

Europa ist nur zu retten, wenn es die Rettung des Euro über noch mehr neues Geld und noch höhere Steuern aufgibt. Es könnte zur Rettung des Ertrinkenden werden, der seine Retter mit in die Tiefe reißt. Angela Merkel, ihr Finanzminister und ihr Herausforderer Peer Steinbrück – sie alle sollten wissen, daß es Alternativen zur Fortsetzung von Europas monetärer Integration gibt: solche, die weder die Vermögen der Bürger noch gewachsene Demokratien gefährden. Helmut Schmidt hat seiner Zunft einmal den Rat gegeben, rechtzeitig zum Psychiater zu gehen, bevor sie realitätsblind werde. Denn wenn Politiker die Währung ruinieren, sind auch ihre Pensionen dahin.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war unter SPD-Minister Karl Schiller Leiter der Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht.

 www.dr-hankel.de

 

Euro-Krise bedroht Altersversorgung

Eine aktuelle Allensbach-Studie im Auftrag der Postbank offenbart, daß die Skepsis der Deutschen bezüglich der privaten Altersvorsorge wächst: Sie setzen aufs private Eigenheim – und auf Gold. 42 Prozent der Befragten lehnen eine Erweiterung ihrer privaten Vorsorge ab. Im Jahr 2003, kurz nach Einführung der Riester-Rente, waren es nur 30 Prozent gewesen. Trotz staatlicher Förderung sind die monatlichen Ausgaben für Kapitallebensversicherungen, Riester, Rürup & Co. von 204 Euro (2005) auf derzeit 185 Euro zurückgegangen. Die gesetzliche Rente halten dagegen 74 Prozent für die „ideale Form der Alterssicherung“, 68 Prozent nennen zudem das Eigenheim. 34 Prozent der Berufstätigen planen daher den Bau oder Kauf einer eigenen Immobilie, 2010 waren es nur 23 Prozent. Unter den jungen Berufstätigen sind es sogar 26 Prozent. 39 Prozent derjenigen, die ihre Vorsorge ausweiten wollen, halten Gold für eine „besonders sichere Altersvorsorge“.

Studie zur Altersvorsorge in Deutschland:  www.postbank.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen