© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

CD: Eduard Franck
Nicht unfrei, gebunden
Sebastian Hennig

Zwischen den Aufgipfelungen der Kunst Beethovens und Wagners erstreckt sich ein liebliches Gefilde. Dessen Früchten wenden sich unsere übersättigten Sinne wieder zu und stellen dabei fest, daß wir manche Barockmeister genauer kennen als die Werke jüngerer Epochen, deren ästhetische Auseinandersetzung uns näher betreffen. Das tun sie wiederum nicht mehr so stark, daß sich unterdessen nicht auch unbefangen die zugehörige Musik vernehmen ließe.

1993 veröffentlichten Paul Feuchte und sein Sohn Andreas Feuchte eine umfassende Monographie über ihre Ahnen, die Komponisten Eduard und Richard Franck, ebenfalls Vater und Sohn. Im kleinen Leipziger Musikverlag Pfefferkorn erscheinen die Noten dazu und seit einigen Jahren bei Audite vorbildliche Einspielungen der Musik von Eduard Franck (1817–1893).

Der stammte aus einer Breslauer Bankiersfamilie, war Felix Mendelssohn Bartholdys Privatschüler. In seinen Reisejahren konnte Franck Erfolge an der ehrwürdigen Accademia Santa Cecilia in Rom feiern. Besonders sein „Konzertstück für Violine“ ist dort gut angekommen. Sein Selbstverständnis als „deutscher Musikant“ berief den Komponisten zurück in die Heimat. Während die Römer sich der momentanen Klangentfaltung von Francks kunstfertigen Instrumentationen hingaben, verfochten die deutschen Tonsetzer fast ausnahmslos publizistisch ihren Standpunkt zum Gesamtschicksal ihrer Kunst.

Bald einhundertfünfzig Jahre mußten vergehen, um die Musik Francks vor unparteiische Ohren zu bringen. In vorliegender Einspielung der Württembergischen Philharmonie Reutlingen unter Ola Rudner ist Christiane Edinger die Solistin. Auch die anderen Stücke der Platte führten Franck in die Schußlinie der Debatte zwischen reiner Musik und musikalischer Dichtung. Beckmesser gab es auf beiden Seiten der Front. Und Eduard Francks Werk wurde zu einer der Stufen, über die man sich zu diesem unversöhnlichen Gegensatz verstieg.

Das hatte zur Folge, daß er viele der an die hundert Werke gar nicht oder sehr spät drucken ließ. Er zog den Kopf ein vor der polemischen Schärfe der Rezensenten und widmete sich der Interpretation der Klassiker und seinen Lehrverpflichtungen in Bern und Berlin. Der Wagner-Apostel Theodor Uhlig nahm sich die harmlose „Fantasie für Orchester“ vor, um Grundsätzliches über sein neues Kunstideal am Gegenbeispiel loszuwerden. Es ist eine kleine Sinfonie im alten formalen Stil, aber mit dem differenzierten Klangideal seiner Zeit. Den Mittelteil des dreisätzigen Werkes bildet ein Menuett. Für diese trotzige Klassizität findet der Kritiker die Bezeichnung Fantasie zu unbestimmt und besteht darauf, „daß ein mehr oder minder ausführliches Programm in Worten“ nötig sei, „ein Werk dieser Art zu rechtfertigen“.

Heute vermißt dergleichen keiner mehr, sofern die Einspielung so tadellos erfolgt wie hier. Auch die Ouvertüre „Der römische Carneval“ (1854) hatte es seinerzeit schwer, zehn Jahre nach dem gleichnamigen Stück von Hector Berlioz, unbefangen aufgenommen zu werden. Anstatt Formen zu sprengen, nimmt Eduard Franck Förmchen, die er zu füllen versteht. Neues machte er freilich nicht, aber durchaus Eigenes.

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