© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Die Kraft der Dokumente
Hörbuch: Edlef Köppens „Heeresbericht“ von 1930
Erik Lehnert

Unter den Romanen über den Ersten Weltkrieg fristete Edlef Köppens „Heeresbericht“ ein Nischendasein. Als das Buch 1930 erschien, mußte es mit Hunderten anderen Kriegsberichten konkurrieren. Nicht nur Remarques „Im Westen nichts Neues“ (1929) war erfolgreicher, sondern auch Hans Zöberleins „Der Glaube an Deutschland“ (1931) und andere Romane, von denen heute niemand mehr spricht.

Daß Köppens „Heeresbericht“ seit den siebziger Jahren immer wieder einmal aufgelegt wird, hat vor allem etwas mit der literarischen Qualität des Buches zu tun. Hinzu kommt, daß Köppens Buch ein pazifistisches Ende hat, was es auch heute noch vermittelbar macht.

Köppen beschreibt den Werdegang des kriegsfreiwilligen Studenten Adolf Reisiger, der als einfacher Kanonier die ersten Materialschlachten erlebt und sich nach vier Kriegsjahren als Leutnant weigert weiterzukämpfen und in die Irrenanstalt kommt. Anders als Remarque, der nur ein paar Monate an der Front war, nimmt man Köppen diese Geschichte ab, weil er verständlich macht, warum das nicht länger durchzuhalten war.

Köppens Buch ist keine simple Anklageschrift, sondern ein sachlich gehaltener Bericht, der durch unzählige Dokumente angereichert wird. Durch diese Montagetechnik, bei der sich belletristische Stücke mit Briefen, Ansprachen, Befehlen und anderen Texten abwechseln, zwingt sich eine Umsetzung als Hörbuch förmlich auf.

Dem nun unlängst in der Edition Apollon erschienenen, aufwendig inszenierten Hörbuch, an dem mehr als dreißig Sprecher und Musiker mitgewirkt haben, gelingt es, Köppens Idee einer Collage, die ein Gesamtbild ergibt, umzusetzen. Man hört mit Spannung die Geschichte Reisigers, bekommt eine Ahnung von der ganz anderen Welt der Heimatfront und kann vor allem die verschiedenen Ebenen, auf denen der Krieg stattfindet, kennenlernen.

Was seine linken Kritiker einst bemängelten, daß Köppen auf die Aussage der Dokumente setzt, ohne sie zu moralisieren, verbürgt heute seine Glaubwürdigkeit.

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