© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Mit Ines beim Mittagessen
Redaktionsbesuch: Ein JF-Autor spendet für einen Film – und darf als Dankeschön die „taz“ besuchen
Michael Hofer

Super, daß ihr uns alle mit eurem sauer Ersparten geholfen habt!“ Es ist der Höhepunkt des Tages: taz-Chefredakteurin Ines Pohl dankt mir und fünf anderen geladenen Gästen persönlich mit einem gemeinsamen Mittagessen im hauseigenen Café in der Rudi-Dutschke-Straße.

„Nun erzählt mal was über euch!“ Na ja, jetzt wird es schwierig. Als Konservativer ist das für mich ein etwas weniger beeindruckender Moment als für die anderen Überzeugungstäter, die für ein von der taz angestoßenes Filmprojekt gespendet haben und nun mit einem Schnuppertag in den Redaktionshallen belohnt werden.

Auch ich habe mich an der Finanzierung der „berlinfolgen“ beteiligt: Die Kurzfilme porträtieren Träumer und Malocher, Käuze und Normalos des Alltags – ein reizvoller Griff in die Berliner Wirklichkeit. Nun sitze ich der kumpelhaften taz-Chefredakteurin direkt gegenüber, und wir sind beide frugal-ökomäßig mit einem Salatteller versorgt. Das ist aber auch schon unsere einzige Gemeinsamkeit.

Unter den Stiftern: eine junge Frau mit kahlem Kopf in Fotografenausbildung und drei Mittvierziger mit diskreter „Irgendwas-mit-Medien“-Aura, die einen starken Einbringungsdrang erkennen lassen. Einer betont gerne, daß er zur aussterbenden Spezies der gebürtigen Berliner gehört, und wie viele seiner Art klagt er über die Verrohung der lokalen Sitten. Er hat seinen sicheren Job gekündigt, weil ihm die Sinndimension fehlte, die er offenbar im Umkreis des taz-Cocktails zu finden hofft. Der Gentleman in der Runde ist ein älterer Herr, der seiner taz seit Beginn die Treue hält: „Ich war ein linker Banker – oder Bankier, wie man früher so schön sagte!“ Stolz berichtet er, wie er den Kapitalismus dadurch subversiv unterlaufen hätte, indem er die linke Subkultur West-Berlins gesponsert habe. Ein anderer erzählt, wie positiv überrascht er gewesen sei, daß das Blatt auf ihn trotz seines Agitprop-Rufes einen so handwerklich sauberen Eindruck gemacht habe.

In der Tat bekomme ich mehrfach mit, wie die Redakteure ihre Praktikanten und Mitarbeiter zur Sorgfalt ermahnen. Eine Flüchtlingsdemo in Kreuzberg? „Das reicht nicht, du mußt schauen, wer dahintersteckt und warum.“ Ein Verriß in der letzten Ausgabe von Ursula Sarrazins Buch? „Das war nicht gut, denn man erfährt gar nicht, was sie darin wem und warum vorwirft!“

Momentan geht es für die taz aber vor allem um das wirtschaftliche Überleben. Darüber werden wir von Urgestein Konny Gellenbeck aufgeklärt, die uns eine Führung durch alle vier Stockwerke gibt. Wie alle Tageszeitungen befindet sich auch die taz in einer Krise, die der allumfassenden Digitalisierung geschuldet ist. Neue Medienformate sind gefragt, um das Interesse unter den klicksüchtigen Jungen am Laufen zu halten.

Die Leserschaft der täglichen Druckausgabe ist im Durchschnitt sogar satte 55 Jahre alt, darunter wohl viele Nostalgiker aus goldenen Sponti-Tagen. Die Redaktionsmitglieder sind überwiegend um die dreißig Jahre alt, große Frauenquote, kleine Migrantenquote, mit einem Hauch von berlintypischer „Digital Bohème“.

Linksalternative Klischeetypen sind eher selten. Aber es gibt sie: ein Mitarbeiter älteren Semesters etwa, der aufgrund seines Lebens ohne Schuhe Fußsohlen aus Leder bekommen zu haben scheint.

Freilich finden sich überall Embleme wie Anti-Atom- und Fairtrade-Aufkleber und auch eine stattliche Sammlung von Antifa-Postern im Ressort für Innenpolitik. Die Weltanschauung wird jedoch elastisch gehandhabt. „Unsere Leserschaft reicht heute von ziemlich links bis weit ins bürgerliche Lager“, erzählt Gellenbeck. Strammere Genossen wie Neues Deutschland oder Junge Welt findet sie „zu eng“.

Nicht unähnlich der JUNGEN FREIHEIT, stützt sich die taz zu einem erheblichen Teil auf ein engagiertes Lesermilieu. Auch ihre Mitarbeiter sind von einem gewissen „Korpsgeist“ beseelt und nehmen für ihren Idealismus geringere Löhne in Kauf. Die taz zehrt immer noch von der Aura, eine Art Institution zu sein, und wer sie unterstützt, wird mit dem Gefühl belohnt, etwas vage „Gutes“ gefördert zu haben, das seinen eigenen Werten entspricht. Wer darüber hinaus „unabhängigen Journalismus und Pressefreiheit“ jenseits finanzieller Zwänge fördern will, kann „GenossIn“ in der zum Zweck des taz-Sponsorings gegründeten „Genossenschaft“ werden.

Deren Name wurde inkonsequenterweise nicht „gegendert“, obwohl bei der taz auf derlei Etikette Wert gelegt wird: Als ich die „Geno-Chefin“ (Geno steht für Genossenschaft) Gellenbeck frage, ob sie denn „ein Veteran“ sei, verbessert sie mich gleich: „Veteranin!“ Na endlich! Ich hätte mir gerne mehr politkorrekte Pointen dieser Art gewünscht.

Ist die taz am „Verbürgerlichen“, also Normalwerden, oder läuft es umgekehrt? Ist es für die taz nicht schwierig, frage ich später Ines Pohl listig, heute ein markantes Profil zu wahren, wenn linke Vorstellungen ohnehin schon in sämtliche Zeitgeist-Medien eingesickert sind wie ein warmer Golfstrom? Auch die als „konservativ“ geltende FAZ ist heute so stark mit linkem Gedankengut durchtränkt, daß die Kante zwischen ihr und der taz nicht mehr allzu scharf ausfällt. Alle Welt scheint in einem Einheitsbrei aufzugehen. Pohl nickt interessiert, oder tut zumindest so, aber ich habe nicht den Eindruck, als ob diese Frage ihr den Schlaf raubt.

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