© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Deutsche Goldadern
Auf der Suche nach heimischen Rohstoffen / Gibt es riesige unentdeckte Lagerstätten?
Paul Leonhard

In der Lausitz, im Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Sachsen, liegt eine milliardenschwere Kupferlagerstätte verborgen. Entdeckt wurde sie schon zu DDR-Zeiten. Doch warum wurde sie damals nicht gefördert? Aus drei Antworten darf der Kandidat die richtige herausfinden: Stand auf dem Gebiet ein Ferienhaus von SED-Chef Erich Honecker, der um seine Ruhe fürchtete? Oder verhinderte ein deutsch-polnischer Grenzstreit die Ausbeutung?

Oder aber schien den sozialistischen Wirtschaftsplanern nach jahrelangen Vorarbeiten das Vorhaben dann doch zu teuer? Fünf Tage lang stellte der Hanser-Verlag im September im Internet jeweils eine „spannende Frage zum Thema Rohstoffe und ihrer Förderung“. Und jeden Tag verloste er unter den Teilnehmern des Wissensquiz ein Exemplar von Christoph Seidlers neuem Buch „Deutschlands verborgene Rohstoffe – Kupfer, Gold und Seltene Erden“.

In ihm hinterfragt der Spiegel Online-Redakteur, der sich schon mit seinem Buch „Arktisches Monopoly – Der Kampf um die Rohstoffe der Polarregion“ (DVA 2009) als Kenner der Materie auszeichnete, die gängige These, daß Deutschland ein rohstoffarmes Land sei. Ein Thema, das inzwischen auch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) umtreibt.

Der sorgt sich angesichts des starken Natur- und Landschaftsschutzes um die heimischen Rohstoffvorkommen und die mehr als 200.000 in der hiesigen Rohstoffindustrie Beschäftigten. Deutschland ist reich an Baustoffen, Salzen, Steinen und Erden. Der Großteil der benötigten Kiese und Sande kann aus heimischen Lagerstätten gewonnen werden. An Braunkohle werden jährlich 170 Millionen Tonnen gefördert. Das ist Weltspitze. Dazu kommen drei Millionen Tonnen Kali- und zehn Millionen Tonnen Steinsalz.

Bei Metallrohstoffen und vielen anderen wichtigen Industriemineralien ist Deutschland dagegen fast hundertprozentig von Importen abhängig. Und seit dem Ausscheiden von Preussag (heute TUI) und Metallgesellschaft (heute GEA Group) aus dem Bergbausektor hat Deutschland derzeit kein großes Bergbauunternehmen mehr. Auch Öl, Gas, Steinkohle und Uran werden eingeführt. Heimische Lagerstätten decken lediglich 14 Prozent des Ergas- und 2,5 Prozent des Erdölbedarfs ab. Deutschland hat 2010 nach Angaben der Bundesregierung Rohstoffe im Wert von 17,7 Milliarden Euro produziert und im Gesamtwert von mehr als 109,3 Milliarden Euro importiert.

Aber was ist mit den deutschen Lagerstätten? Wurde nicht unlängst im sächsisch-brandenburgischen Grenzgebiet ein riesiges Kupfererzvorkommen gefunden? Experten sprechen von zwei Millionen Tonnen reinem Kupfer, die allerdings eine US-Holding fördern will (JF 7/11). Was ist mit dem Graphitlager in der Region Passau? Und was mit den Zinnvorkommen im Vogtland? Hier hat die 2006 gegründete private Deutsche Rohstoff AG in Gottesberg bei Probebohrungen eines der weltweit größten Zinnvorkommen entdeckt. Mindestens 115.000 Tonnen Zinn werden hier auf einer Fläche von 1,6 Quadratkilometern im Wert von knapp zwei Milliarden Euro vermutet. Im nordsächsischen Delitzsch werden rund 38.000 Tonnen der im Hochtechnologiebereich unverzichtbaren Seltenen Erden (JF 45/10) vermutet: Lanthan, Cer, Neodym, Europium, Yttrium und 8.000 Tonnen Niob.

Beim Sächsischen Oberbergamt in Freiberg liegen 28 bewilligte Bergbaurechte für Unternehmen aus aller Welt vor. Diese suchen bundesweit nach Kobalt, Lithium, Wolfram, Molybdän oder Tantal. Mit dem Preisanstieg auf den internationalen Rohstoffmärkten, aber auch mit neuen Methoden werden bereits aufgegebene Lagerstätten wieder interessant.

Wenn sich Seidler auf die Suche nach Deutschlands Rohstoffschätzen begibt, dann sind seine Erkenntnisse aufmerksamen Zeitungslesern gar nicht so neu, wurde doch immer wieder über die Entdeckung neuer Lagerstätten berichtet. Geologen hatten diese ohnehin vermutet. Bisher waren viele dieser Rohstoffe aber nur schwer erreichbar, um einen Abbau wirtschaftlich sinnvoll erscheinen zu lassen. Erst mit der Verteuerung, die durch eine weltweit wachsende Nachfrage (vor allem aus China) nach ihnen bei gleichzeitiger Verknappung eingetreten ist, sowie neuen Abbautechniken ergibt sich eine neue Situation.

Seidlers Verdienst ist es, sich nicht nur auf die Suche nach diesen Rohstoffschätzen begeben zu haben, sondern das komplexe Thema spannend zu erzählen. Dabei berücksichtigt er sowohl Förderungsmengen als auch Verbrauch. Er erläutert, wie der Rohstoffhandel funktioniert, wer und was alles Einfluß auf die Preise hat. Der Leser erfährt, woher das Gold kommt, das schaukelnde Schwimmbagger in der Pfalz ans Tageslicht holen, und welche Rolle ein Pilz wie der Gemeine Spaltblättling bei der Ölgewinnung spielt. Seidler hat mit Experten wie dem Chef des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie, Jens Gutzmer, gesprochen, und mit Volker Steinbach, dem Leiter der Deutschen Rohstoffagentur. Beide vermuten, daß sich in Deutschlands Böden noch riesige unentdeckte Lagerstätten verbergen: „Die oberen 300 Meter sind gut bekannt, weiter in der Tiefe gibt es deutlich weniger Erkenntnisse.“ Und auch der finnische Geoforscher Gabriel Gaal ist optimistisch: Vielleicht habe Deutschland mehr Rohstoffe als gedacht. Was fehlt, sei eine gezielte Suche, wie sie beispielsweise die irische Regierung aus der Luft mittels elektromagnetischer Meßsonden vornehmen ließ.

Seidler verweist auch darauf, daß ein Teil der möglichen Rohstoffquellen Deutschlands in fernen Meeren liegt. So entdeckten deutsche Forscher im Juni 2010 rund eine Milliarde Manganknollen mit Kobalt, Kupfer und Nickel im Pazifik innerhalb eines deutschen Lizenzgebietes. Insgesamt erwarte die Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe (BGR) ein Vorkommen der drei Metalle von 28 Millionen Tonnen, berichtete die Financial Times.

Deutschland könnte die erworbene Explorations- in eine Förderlizenz umwandeln. Die von der UN-Meeresbodenbehörde vergebenen Erkundungslizenzen gelten für 15 Jahre. Bisher ist die Förderung der Manganknollen allerdings für kein Land wirtschaftlich. Aber das kann sich ändern. Auch die DDR verzichtete einst auf den Abbau des Lausitzer Kupfers – aus Kostengründen. Leider fehlen auch heute wieder potente einheimische Investoren im Rohstoffbereich. „Finanzprodukte“ sind scheinbar immer noch – trotz Lehman-Pleite und Euro-Krise – attraktiver als handfeste Sachwerte.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover baut seit zwei Jahren ein Rohstoff-Informationssystem auf: www.bgr.bund.de

Christoph Seidler: Deutschlands verborgene Rohstoffe – Kupfer, Gold und Seltene Erden. Carl Hanser Verlag, München 2012, 252 Seiten, gebunden, 18,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen