© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Zeitschriftenkritik: Lebensforum
Kindstötungen auf Staatskosten
Ellen Kositza

Die Deutschen sind ein engagiertes Volk. Wo sonst auf der Welt wäre man derart sensibel für nahezu sämtliche Aspekte des Menschenrechts und des Tierschutzes, wo sonst sprießen idealistische Initiativen pro Biotope, pro Bleiberecht oder deren Anti-Geschwister (gegen Atomkraft, Diskriminierung, Fast food, Massentierhaltung und dergleichen) so fruchtbar aus dem Boden wie hierzulande? Eine Opfergruppe gibt es allerdings, deren Lobby und Außenwirkung bescheiden sind. Es sind die „Lebensrechtler“, die sich vor allem dem Kampf gegen die massenhafte Praxis der Abtreibung widmen. Das diesbezügliche „Selbstbestimmungsrecht“ der Frau gilt hierzulande als sakrosankt. Debatten hierüber finden weit und breit nicht statt; allenfalls über Randerscheinungen wie Spätabtreibungen oder – aktuell – selektive Pränataldiagnostik wird diskutiert.

Die Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA) ist einer der kleinen Vereine, die in diese Bresche springen. Deren quartalsweise erscheinendes Magazin Lebensforum gibt den Opfern eine Stimme. Die 36seitige Zeitschrift widmet sich auf hohem, gleichfalls gut lesbarem Niveau zuvörderst der Abtreibungsproblematik, daneben verwandten Themen wie der Sterbehilfe, Organspende, Babyklappen und der Familienplanung. In der aktuellen Ausgabe (Nr. 103) zieht der Osnabrücker Sozialethiker Manfred Spieker eine bittere Bilanz unter der seit zwanzig Jahren geltenden Fristenregelung. Die „beratenen Abbrüche“ (Ernst-Wolfgang Böckenförde) machen heute 97 Prozent der eingeleiteten Aborte aus, Gründe müssen von der pflichtgemäß beratenen Mutter nicht benannt werden. In den allermeisten Fällen übernehmen die Bundesländer die Kosten für die Kindstötung; Spieker beziffert die Kosten auf rund 42 Millionen Euro jährlich. Interessanterweise stellen sich die Kostenübernahmen regional unterschiedlich dar: Während in Nordrhein-Westfalen über 95 Prozent der Abbrüche auf Staatskosten vollzogen werden, sind es in Bayern unter 65 Prozent. Zudem nennt Spieker plausible Gründe, warum die statistisch erfaßte Zahl der Abbrüche von einer hohen Dunkelziffer verschattet sein dürfte. Noch 2004 etwa gestand das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ein, daß nur rund 60 Prozent der Abbrüche – deren Zahl seit Jahren stagniert – offiziell zählbar seien.

Daneben vermeldet das Lebensforum einen Teilerfolg in den juristischen Kalamitäten rund um die Gehsteigberatung, die seit 1999 vor der größten Münchner Abtreibungsklinik (mit hübschem Erfolg!) angeboten wird. Das Verbot des simplen höflichen Ansprechens jener verzweifelten Frauen wurde aufgehoben, allein der ermunternde Nachruf („Du wärst so eine schöne Mutter“) wurde unterbunden, ebenso das stille Gebet, wenn es mit der plakativen Darstellung eines Embryos verbunden ist. Ein weiterer lesenswerter Artikel der aktuellen Ausgabe widmet sich einem neuen Heldinnen-Typus im Kinofilm: der ungewollt schwangeren Frau, die gegen alle Anfechtungen zur stolzen Mutter wird.

Kontakt: Aktion Lebensrecht für Alle e.V., Otmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg, Telefon: 08 21 / 51 20 31 Die Einzelausgabe kostet 4 Euro. www.alfa-ev.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen