© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Linke Ideologie
Überzeugt, gut zu sein
Manfred Kleine-Hartlage

Linke Politik folgt einer Agenda der Zerstörung. Zerstört wird der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält: Völker im Namen des Multikulturalismus, Familien und Religionen im Namen der „Emanzipation“, Volkswirtschaften im Namen der Gleichheit, Wissenschaften im Namen der Political Correctness. Sie folgt einer Agenda der Gewalt: Man streitet für die „Menschenrechte“ und nimmt dafür auch ein bißchen Imperialismus in Kauf, für „Frieden“, und müßte er durch Krieg erzwungen werden, für „Antidiskriminierung“ im Wege der Diskriminierung der Mehrheit, „gegen Rechts“, und wäre es mit SA-Methoden. Linke Politik ist Umerziehungspolitik: Da der Mensch von sich aus nicht so beschaffen ist, daß er zu linker Utopie paßt, muß er geändert, muß ein „Neuer Mensch“ geschaffen werden. Und da diese Utopie, also das Nirgendwo, und nicht die Wirklichkeit, den Maßstab für „wahr“ und „unwahr“ abgibt, Wahrheiten, die der Utopie entgegenstehen also zu Unwahrheiten erklärt werden müssen, folgt linke Politik einer Agenda der Lüge.

Wie bringt man Menschen, die doch keine Berufsverbrecher sind, dazu, eine solche Agenda zu unterstützen, die nicht nur in sich kriminell ist, sondern auch mit kriminellen Mitteln durchgesetzt wird? Eine Ideologie, die der Wirklichkeit offenkundig ins Gesicht schlägt, gleichwohl für wahr zu halten? Gegenüber Gegnern dieser Ideologie vollständige Gewissenlosigkeit an den Tag zu legen?

Indem man die Umwertung der Werte betreibt: Wer den Dreh findet, als moralisch „gut“ erscheinen zu lassen, was nach jedem hergebrachten Maßstab krank, pervers und kriminell ist, wer es, anders gesagt, schafft, das Gewissen von Menschen zu kontrollieren, die an sich nicht bösartig sind, kann diese Menschen ungefähr so steuern wie ein Marionettenspieler seine Puppe. Das Geheimnis hinter der Fähigkeit der Linken, einen weitgehenden Konsens für ihre nach Ziel und Methode bösartige Politik zu organisieren, ist die Erfindung des Gutmenschentums.

Dieses Gutmenschentum hat gerade nichts damit zu tun, ein guter Mensch zu sein, was ja zumindest im christlichen Kulturkreis bedeuten würde, kein Pharisäer zu sein, der glaubt, die Moral für sich gepachtet zu haben. Gutmenschentum ist nichts anderes als Pharisäertum, und es basiert auf der Schwäche des Menschen.

Im Grunde hat jeder Mensch das Bedürfnis, ein guter Mensch zu sein. Freilich weiß jeder Rechte, jeder Konservative, jeder Christ, daß Gutsein ziemlich anstrengend ist und ständigen Kampf, ständiges Übersichhinauswachsen, ständige Selbstprüfung erfordert. Ein Konservativer kann und wird nie etwas anderes behaupten, als daß der Mensch unvollkommen ist, daß die Sünde ihn herunterzieht, daß er sich anstrengen muß, um seiner Unvollkommenheit etwas abzuringen, was in den Augen Gottes wenigstens halbwegs vorzeigbar ist.

Das alles kann sich ersparen, wer links ist. Linke Moral ist der Glaube, man sei ein guter Mensch, wenn man eine linke Ideologie vertritt. Die Ware, die die Linken anbieten, ist das Gefühl, ein guter Mensch zu sein. Sie bringen sie dadurch an den Mann, daß sie einen scheinbar, aber eben nur scheinbar, ganz geringen Preis fordern, einen viel geringeren, als die Kirche jemals verlangen könnte.

Der Handel lautet: Du glaubst, was wir dich lehren, und verteufelst alle anderen als „böse“; und im Gegenzug erkennen wir dich als guten Menschen an.

Wer sich darauf einläßt, glaubt ein gutes Geschäft zu machen. In Wirklichkeit hat er seine Seele verkauft und sich zur Marionette gemacht, an deren Strippen andere ziehen.

Linke Ideologie ist eine Heilslehre mit dem Anspruch zu definieren, was gut und böse ist; das heißt, sie ist eine säkularisierte, eine pervertierte Form von Religion. Pervertiert deshalb, weil diese Religion nicht dazu stehen kann, daß sie eine ist. Die Sehnsucht nach der Utopie, also die säkularisierte Form der Sehnsucht nach dem Reich Gottes, ist in dieser pervertierten Form die Grundlage der Destruktivität, die für linke Politik so charakteristisch ist.

Wer von Hause aus rechts ist, macht sich keinen Begriff von den unsichtbaren Fesseln, die einen Linken gefangenhalten. Beim Linken hat die Ideologie die Stelle des Gewissens eingenommen. Der Linke glaubt, es sei „böse“, das Eigene zu verteidigen, das eigene Land, die eigene Kultur, das eigene Volk oder auch einfach nur die eigenen Interessen. Im Gegenteil, er glaubt, das Gute liege gerade darin, gegen die eigenen Interessen zu handeln. Obwohl etwa die meisten Grünen Autofahrer sind, stimmen sie regelmäßig für eine Politik, die Autofahren erschwert, verlangsamt, vermiest und verteuert. Mag man dies noch belächeln, so vergeht einem das Lachen spätestens, wenn eine linke Mutter allen Ernstes mit Stolz bekundet, sie habe ihr „Kind der Multikulti-Idee geopfert“, weil sie dieses Kind bewußt in einem Stadtteil aufwachsen ließ und auf eine Schule schickte, wo es von Anfang an um seine Bildungschancen gebracht wurde; ein Extrembeispiel, gewiß, aber eines, das ideal die Verkehrung jeder hergebrachten Moral durch linke Ideologie illustriert.

Das Handeln gegen die eigenen Interessen, also die moderne Form mittelalterlicher Selbstgeißelung, ist für einen Linken der Beweis für seine moralische Vortrefflichkeit. Und das gilt leider nicht nur für seine privaten Interessen, sondern auch für die Interessen des Kollektivs, dem er angehört. Was der Linke für „Moral“ hält, ist masochistische Perversion, und sein Verbrechen besteht darin, diese Perversion seinem ganzen Volk aufzuzwingen.

Der Linke glaubt, es sei irgendwie „böse“, bestimmte Tatsachen anzuerkennen, bestimmte Interessen zu haben oder bestimmte Gefühle zu hegen. Tief im Inneren glauben Linke, sie würden auf der Stelle vom Blitz erschlagen, wenn sie etwas „Rechtes“ denken oder gar aussprechen. Linke sind angstgesteuert.

Damit sind sie auch manipulierbar. Redet man ihnen ein, irgend etwas oder irgend jemand sei zum Beispiel „rassistisch“ – dazu braucht man nicht einmal Argumente, die bloße Behauptung genügt –, so werden sie haß- und angsterfüllt auf den Betreffenden einschlagen, nur weil es behauptet wird. Anders, als es in einer anständigen Gesellschaft der Fall wäre, gilt die Beweislastumkehr. Nicht der Verleumder muß sich rechtfertigen, sondern der Verleumdete.

Die Verleumdung kann empirischer Überprüfung schon auf den ersten Blick spotten – sie wird geglaubt. Sie wird nur nicht jedem Beliebigen geglaubt. Da die Wirklichkeit als Maßstab der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung ideologisch eliminiert worden ist, kommt es auf die Person des Verleumders an: Ist er als Linker anerkannt, also als „guter“ Mensch, als Teil der linken Gemeinschaft (der säkularistischen Persiflage der Gemeinschaft der Heiligen), dann wird sein Bannfluch von dieser Gemeinschaft übernommen und nicht hinterfragt.

Auch im engeren Sinne politische Positionen setzen sich auf diese Weise durch. Ich erinnere mich, daß es in meinen Juso-Zeiten sehr viele Genossen gab, die überhaupt nichts gegen Kernenergie hatten; demonstriert haben sie alle dagegen. Für die Frauenquote konnte sich kaum jemand erwärmen; da aber niemand als „Chauvi“ gelten wollte, wurde sie durchgesetzt. Gender Mainstreaming wurde von keinem Geringeren als Bundeskanzler Gerhard Schröder als „Gedöns“ verspottet; trotzdem ließ er seinen Genossinnen freie Hand, eben diese Politik zu verfolgen. Linke Meinungsbildung erfolgt wesentlich nach dem aus der DDR bekannten Motto „Die Genossen werden sich schon etwas dabei gedacht haben“.

Der unfaßbare Konformismus der einzelnen Linken, so sehr er ihrem Selbstbild, „unangepaßt“ und „kritisch“ zu sein, spottet, ist machtsoziologisch gesehen ein Vorteil für die Linke als politische Bewegung. Er sichert ihr eine kollektive Schlagkraft, die sie mit diskursiven Mitteln nicht erzielen könnte.

Wir wissen, daß Schwarmfische über die Eigenschaft verfügen, sich an ihren unmittelbaren Nachbarn zu orientieren und in deren Richtung zu schwimmen; auf Menschengruppen übertragen nennt man dies Konformismus. Schaltet man bei einem einzelnen Fisch allerdings diese Eigenschaft aus, dann schwimmt er, wohin er will und zieht dadurch alle anderen Fische, denen diese Eigenschaft nicht entfernt wurde, das heißt den ganzen Schwarm, hinter sich her. Just aufgrund dieses Mechanismus gelingt es kleinen und sogar winzigen Einflußgruppen, die gesamte Linke hinter sich herzuziehen. Was die Linke an kollektiver Handlungsfähigkeit gewinnt, verliert sie und jeder einzelne Genosse an Autonomie. Der linke Mitläufer agiert ferngelenkt, ohne es zu wissen. Sichtbar wird dieser Sachverhalt in der Hilflosigkeit von Linken, wenn sie mit einem Argument konfrontiert werden, das in ihren Köpfen als „böse“ markiert ist. Dann verdammen sie in immer denselben gestanzten Wendungen (etwa „rassistisch und menschenverachtend“), was sie nicht verstehen können, wollen und dürfen, halten diese Verdammungen für Argumente und dokumentieren damit, daß ihnen sogar die Bedeutung des Wortes „Argument“ nicht geläufig ist, sofern ihre ideologischen Prämissen tangiert sind.

Die „Schwarmintelligenz“, die man der Linken als ganzer nicht absprechen kann, wird erkauft mit der Kritikunfähigkeit der einzelnen Schwarmmitglieder. Sie ist der Preis für den oben beschriebenen Gutmenschenhandel. Wer das Prinzip akzeptiert, daß die Bejahung oder Verneinung von Tatsachenbehauptungen unabhängig von deren empirischem Wahrheitsgehalt eine moralische Qualität hat, kann als Maßstab nur die Meinung der anderen Schwarmmitglieder heranziehen. Er muß unter allen Umständen verhindern, an den Rand des Schwarms zu geraten und womöglich aus diesem ausgeschlossen zu werden.

Jeder ist verdächtig: Wer den wie ein Damoklesschwert über ihm schwebenden Verdacht, „rechts“ zu sein, von sich fernhalten will, muß sich unterwerfen. Er darf nicht nur keine eigenen Wünsche, Bedürfnisse und Interessen artikulieren, sofern diese der Ideologie widersprechen, er darf nicht einmal eine eigene Meinung haben. Vor allem aber darf er sich nicht der Sympathie für Positionen und Personen verdächtig machen, die gebrandmarkt sind. Er tut vielmehr gut daran, selbst irgendeinen zu finden, auf dessen Kosten er durch Denunziation seine Konformität demonstrieren kann.

So funktioniert Stalinismus: Da Argumente keine Rolle spielen, schielt jeder nach dem anderen, sucht jeder nach dem Abweichler, hat jeder Angst davor, selbst als solcher gebrandmarkt zu werden. Die Masse der linken Mitläufer bildet den perfekten Mob.

Wenn man diese psychologischen Zusammenhänge kennt, versteht man besser, warum Linke nicht diskutieren können. Man versteht besser, warum sie gezwungen sind, mit Repressionen statt mit Argumenten zu kämpfen, und warum ein von ihnen beherrschtes Land so frappierende Ähnlichkeit mit einem großen Irrenhaus hat.

 

Manfred Kleine-Hartlage, Jahrgang 1966, Diplom-Sozialwissenschaftler, ist Publizist und betreibt das Blog www.korrektheiten.com  . Zuletzt schrieb er auf dem Forum über verordnete Geschichtsbilder („Die große Erzählung“, JF 17/12).

Manfred Kleine-Hartlage: Warum ich kein Linker mehr bin. Kaplaken Band 33. Edition Antaios, Schnellroda 2012, gebunden, 96 Seiten, 8,50 Euro. Die autobiographische Schrift berichtet davon, wie es ist, durch ideologische Nebelwände zur Wirklichkeit zu finden.

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