© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Hin zum Ursprung und wieder zurück
Von Platon bis zu Leo Strauss und Eric Voegelin: Christian Machek stellt in seiner Dissertation die Frage nach dem guten Leben
Felix Dirsch

Leo Strauss und Eric Voegelin sind über einen längeren Zeitraum hinweg zwei große Unbekannte des deutschen politiktheoretischen Diskurses. Diese Rezeptionsverweigerung hängt nicht nur mit ihrer Emigration in die USA während der NS-Zeit, sondern auch mit ihrem Ansatz zusammen. Seit zwei Jahrzehnten ist nun eine großangelegte Wiederentdeckung beider Denker im Gange: Diejenige Voegelins geht maßgeblich von dem nach ihm benannten Münchner Archiv aus. Das neue Interesse an Strauss in Deutschland ist nicht von der umfangreichen Edition seines Werkes zu trennen, die der Direktor der Münchner Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung und Honorarprofessor Heinrich Meier initiiert hat.

In den Kontext dieser Konjunktur ist auch die Dissertation von Christian Machek („Die katholische Soziallehre, Leo Strauss, Eric Voegelin und die Aktualität des Naturrechts“) einzuordnen. Der Wiener Religionslehrer und Mitarbeiter der Johannes-Messner-Gesellschaft widmet sich im Abschnitt über das „klassische Naturrecht“, das auf den Grundannahmen der antiken Metaphysik basiert, nicht nur Strauss und Voegelin; der Autor schlägt darüber hinaus einen Bogen zur katholischen Gesellschaftslehre, deren Hauptbestandteile, die Sozialenzykliken der Päpste, immer wieder auf naturrechtliches Gedankengut rekurrieren. Der kirchlichen Verkündigung gebührt das Verdienst, Grundsätze der klassisch-antiken Philosophie aktualisiert und vor dem Hintergrund der Offenbarung auf die jeweilige Gegenwartssituation angewandt zu haben. Man studiere lediglich das päpstliche Rundschreiben Johannes Pauls II. „Fides et ratio“ und die Bundestagsrede Benedikts XVI. im Herbst 2011.

Ein leuchtendes Beispiel für diese Tradition ist für Machek das Œuvre des exzeptionellen Naturrechtslehrers Johannes Messner. Ein vehementer Gegner dieser Überlieferung im vorletzten Jahrhundert, Friedrich Nietzsche, unterstreicht die betreffenden Zusammenhänge noch, wenn er hervorhebt, „wir Aufklärer“ lebten noch „von dem Christusglauben, der auch der Glaube Platons“ gewesen sei. Ausführlich geht Machek ferner auf wesentliche philosophische Voraussetzungen christlicher Anschauungen in der Antike ein, etwa auf das Platonsche Theorem von der „Offenheit der Seele“. Eine Auseinandersetzung mit dem weiten Feld der Gnosis kann nicht ausbleiben, hat doch Voegelin die vielfältigen Strömungen, die man mit dem Ausdruck „Moderne“ zusammenfaßt, bis in die späte Phase seines Lebens hinein mit dem Gnosis-Verdikt kritisiert. Diese Sicht des Juristen und Politologen, der einige Jahre auch in München lehrt, findet in der Fachwelt kaum Verständnis. Macheks Leistung besteht darin, daß er jene Teile der Voegelinschen Einwände gegen die Moderne herausarbeitet, die noch am ehesten Zustimmung finden können.

Die Protagonisten des Denkens der Moderne (von Joachim von Fiore bis Karl Popper) werden nicht glorifiziert, sondern in ihren Ambivalenzen aufgezeigt. Die zentrale Passage Macheks lautet genauso wie der Titel des Buches: „Rückkehr zu den Ursprüngen der politischen Philosophie“. Sie bringt etliche Belege, inwiefern dieses Ziel keineswegs ein vergangenes ist. Von dauerhafter Bedeutung ist vor allem die naturrechtliche Denkweise, überpositive „Normen für gerechte staatliche Gesetze und Regelungen“ zu finden und hervorzuheben.

Über die Schwierigkeiten eines solchen weit ausgreifenden Programmes, das die klassisch-philosophische und christliche Tradition „Wahrheit“ nennt, welche sich aus der Analyse der Natur des Menschen ergibt, kann kein Zweifel bestehen; denn die medial-manipulativen Einflüsse, denen wir heute ausgesetzt sind, sind keineswegs zu unterschätzen. Ein Exempel dafür ist die jahrzehntelange Debatte über die Abtreibungsfrage in fast allen westlichen Gesellschaften.

Gleiches gilt auch für die heute übliche Infragestellung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie. Angesichts derartiger praktischer Herausforderungen lohnt es sich, Macheks Monographie genau zu lesen. Ihr gelingt es zwar aufgrund der umfangreichen Forschungen in den letzten Jahren nicht, viel Neues zu präsentieren, verdeutlicht aber die „ewige“ Dimension des Konservatismus, der von Platon über die katholische Sozialdoktrin bis Voegelin und Strauss hervorragende Vertreter findet und somit keineswegs veraltet ist.

Christian Machek: Die Rückkehr zu den Ursprüngen der politischen Philosophie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012, broschiert, 257 Seiten, 29,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen