© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Weißblaue Harmoniewelle
CSU-Parteitag: Mit den Freien Wählern im Nacken und der absoluten Mehrheit vor Augen gelingt es Horst Seehofer, seine Partei zu disziplinieren
Hinrich Rohbohm

Eines muß man Horst Seehofer lassen. Der CSU-Chef versteht es, seine Partei zu disziplinieren. Keine Kritik, keine Kontroversen. Selten dürfte es einen Parteitag der Christsozialen gegeben haben, der so harmonisch und von gegenseitigen Lobesbekundungen geprägt war, wie der am vergangenen Wochenende in München.

Horst Seehofer lobt Angela Merkel, Angela Merkel lobt Horst Seehofer, die CSU, den Freistaat Bayern. Streicheleinheiten für die Delegierten als Belohnung dafür, daß sie sich mit Kritik an der Parteiführung zurückgehalten haben. Doch die Harmoniewelle in der Union, die schon auf dem Deutschlandtag der Jungen Union und den CDU-Regionalkonferenzen zu beobachten war, ist Fassade. „Hinter den Kulissen wird enormer Druck ausgeübt“, bestätigen der JUNGEN FREIHEIT gleich ein halbes Dutzend Delegierte. Dies sei besonders stark bei Kritik am Euro der Fall.

Druckmittel hat Horst Seehofer reichlich. Im kommenden Jahr ist Bundestagswahl und natürlich Landtagswahl in Bayern. 2014 steht zudem die Europawahl an. Ereignisse, bei denen es um zahlreiche lukrative Posten und Mandate geht. Aufgrund der Dominanz der CSU gilt eine Kandidatur für den Landtag oder Bundestag in Bayern in den meisten Wahlkreisen als sicheres Direktmandat. „Eine Parteiführung hat ihre Delegierten stets mit der versteckten Drohung in der Hand, bei zukünftigen Ämtervergaben unberücksichtigt zu bleiben“, meint ein CSU-Ortsvorsitzender.“ „Viele Abgeordnete sind nun mal Berufspolitiker. Die können es sich nicht leisten, aus der Reihe zu tanzen, da steht gleich die gesamte Existenz auf dem Spiel“, redet ein niederbayerischer Delegierter Klartext. Viele jedoch halten sich bedeckt. „Ruhig bleiben, jetzt bloß keine Fehler machen, wir müssen geschlossen sein“, schwören sich Funktionäre auch außerhalb des Plenums immer wieder selbst ein.

Der Grund dafür sind die jüngsten Wahlumfragen. Die Demoskopen sehen die Union bundesweit im Aufwärts-trend. In Bayern sehen Meinungsforscher die CSU derzeit bei 48 Prozent und damit einer absoluten Mehrheit bei den Landtagsmandaten nahe. Ein weiteres gewichtiges Argument für Seehofer, Ruhe und Geschlossenheit einzufordern.So wird der Leitantrag des Landesvorstandes zur Europapolitik einstimmig angenommen, obwohl es an Kritikern an der aktuellen Euro-Politik der Bundesregierung nicht mangelt. Doch das Papier ist gut austariert. Ein Kompromiß, mit dem sowohl Euro-Kritiker als auch seine Befürworter ihr Gesicht wahren.

„Sie können diesem Antrag ohne Probleme zustimmen“, versichert den Delegierten kein Geringerer als Peter Gauweiler. Er selbst habe an dem Papier mitarbeiten können. Die CSU sei die einzige Partei, die nun einen Volksentscheid zum Euro einfordere. „Ich fand das sehr mutig, das in den Antrag zu schreiben, das hat noch keine andere Partei in Deutschland getan“, lobt er.

Geschickt gewählte Worte. Denn die Freien Wähler kritisieren die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung zwar noch schärfer und sprechen sich ebenfalls für Volksabstimmungen aus. Jedoch verstehen die sich selbst eben gerade nicht als Partei. Die CSU versucht, die neue bürgerliche Konkurrenz zu ignorieren. „Wir dürfen sie nicht stark reden“, mahnt ein Delegierter. „Die meisten von denen stehen uns doch nahe. Da sind viele erst zu den Freien Wählern gegangen, weil sie bei uns nicht zum Zug gekommen sind oder sich irgendwann mal mit der CSU verkracht haben. Wenn’s drauf ankommt, können wir mit denen sicher ohne Probleme zusammenarbeiten“, ist sich ein ehemaliger CSU-Bürgermeister sicher.

„Wir sollten aber auch nicht zu überheblich sein“, meint dagegen ein Ortsvorsitzender. Seine Befürchtung: Wenn die CSU zu arrogant auftrete, könnte das dazu führen, daß sich alle Parteien zu einem reinen Anti-CSU-Bündnis formieren. „Wenn die Freien Wähler aus reinem Zorn Rot-Grün aufs Schild heben würden, wäre das nicht nur eine Katastrophe für die CSU sondern für ganz Bayern.“ Sein Appell: „Wir dürfen uns nicht zu sicher sein und sollten aus unseren Fehlern, die wir vor vier Jahren zweifellos begangen haben, lernen.“ Drogenbericht der Bundesregierung 2012 widerspiegeln: Allein die gemeldeten Fälle sind um 163,4 Prozent gestiegen. „Man muß davon ausgehen, daß die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegt“, sagt Graf. Nahm die deutsche Polizei 2010 im deutsch-tschechischen Grenzgebiet 183 Personen wegen illegalen Drogenbesitzes fest, so waren es im vergangenen Jahr bereits 553. Tendenz steigend. Offenbar kommen auch immer mehr Schüler in den Grenzbezirken auf den Schulhöfen mit der synthetischen Droge in Berührung. Die Schilderungen in den betroffenen Bezirken und Wahlkreisen würden immer drastischer, weiß die Rosenheimer SPD-Bundestagsabgeordnete. Nötig sei eine Prävention in Schulen, Diskotheken und Internet.

Schuld an der Ausbreitung der Droge ist aus Sicht der SPD die Liberalisierung des tschechischen Rauschgiftgesetzes vor zwei Jahren. Dieses wertet den Besitz von bis zu zwei Gramm Crystal lediglich als Ordnungswidrigkeit. Zuvor hatte bereits der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die liberale Drogenpolitik als Hauptursache für den grenzüberschreitenden Handel mit illegalen Drogen bezeichnet. Bayern sei gegen die Drogenflut aus Böhmen machtlos, sagte er der Welt. Auf eine bessere Zusammenarbeit mit polnischen und tschechischen Sicherheitsbehörden beim Kampf gegen die international agierenden Drogenhersteller hofft Sachsens Innenminister Markus Ulbig. Vor allem aber wünscht sich der Christdemokrat, der Oberbürgermeister der nahe der tschechischen Grenze gelegenen Stadt Pirna war, „mehr Engagement“ auf tschechischer Seite.

Anderer Meinung ist Hartmut Koschyk, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. „Die tschechische Drogengesetzgebung geht stringent gegen den Besitz und Handel einer solch gefährlichen Droge wie Crystal Speed vor“, wird der CSU-Politiker nach einem Gespräch mit dem tschechischen Finanzminister Kalousek auf der Internetseite von „Radio Prag“ zitiert. Tschechiens Politiker verweisen auf Polen. Nachdem man erfolgreich Maßnahmen gegen die Verbreitung des Grundstoffes für die Pervitinherstellung getroffen habe, seien die Hersteller auf die illegale Einfuhr chemischer Stoffe aus Polen umgestiegen, sagt der Antidrogenkoordinator Jindrich Voboril. „Wir haben ein Problem, von dem Deutschland und Tschechien momentan am stärksten betroffen sind, aber das sich ausweiten wird und das man sehr bald auf die europäische Ebene heben muß“, weiß Koschyk. Das Handeln überläßt er aber der SPD. Diese fordert in ihrem Antrag eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und eine abgestimmte Strategie in Europa. Mit Workshops und Aufklärungskampagnen, wie sie die Regierung verschlägt, könnten die Trenddrogen nicht bekämpft werden. Keinesfalls dürften Bundespolizisten aus der Grenzregion abgezogen werden.

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