© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

CD: Kinderlieder
Singen in der Familie
von Andreas Zöllner

Der Stuttgarter Carus-Verlag und der Südwestrundfunk (SWR) haben ihr vor Jahr und Tag begonnenes Liederprojekt (JF 41/11) weiter ausgebaut. Wiegenlieder und Volkslieder machten den Anfang, in der Kinderlieder-Trilogie folgte im März dieses Jahres die dritte und letzte CD voller Kinderlieder, und inzwischen sind Anfang Oktober auch zwei CDs mit Weihnachtsliedern erschienen.

Das Unternehmen der südwestdeutschen Lieder-Vermittler hält geschickt die Waage zwischen wertvollem Inhalt und intensiver Wertbehauptung. Anknüpfung zum Selbermachen und unerreichbares Beispiel zum Bewundern, poetisches Verswunder und kindischer Jux, blasierte Tümelei und echte Kernigkeit können bei den gut drei Dutzend Titeln pro Platte in schneller Folge wechseln. Die Lieder aller drei Platten, knapp über achtzig, sind zusammengefaßt in einem solide in Halbleinen gebundenen Band mit Mitsing-CD. Die kräftigen Buchseiten, auf denen Texte und Noten von doppelseitigen erzählerischen Bildern des preisgekrönten Illustrators Markus Lefrançois (32) begleitet werden, halten einiges aus. Mögen sie kräftig strapaziert werden.

Die Melodien sind in Tonarten gesetzt, die für den Gesang mit Kindern besonders geeignet sind, und mit Akkordsymbolen versehen, die Instrumentalbegleitung, etwa mit der Blockflöte oder Gitarre, ermöglichen. Die meisten werden sich jedoch wohl vorerst mit Zuhören begnügen. Aber auch da versteckt sich zwischen lauten Brüllern manch einprägsames Geheimnis. Auf das ausgelassene Lied „Das Auto von Lucio“, dessen burlesker Humor durch Auslassungen entsteht, folgt das schwerblütig feierliche Chorlied vom windzersausten zarten Mohn („Heute kam ein Sommerbote“). Das moritatenhaft ableiernde Lied „Dornröschen war ein schönes Kind“ wird von Dorothee Mields und Ludger Rémy in der Art eines romantischen Klavierliedes zu Gehör gebracht. Auf das Prinzeßchen-Tralala folgt ein fescher Marsch vom Jumping Jack, den ein neunjähriges Mädchen mit dem nötigen Ernst vorträgt. Die anbiedernde Kinder-Hudelei des Grips-Theaters stellt in Aussicht „Wir werden immer größer“. Zusätzlichen Reiz gewinnt das Projekt dadurch, daß neben vielen bekannten Kinderliedern wie zum Beispiel „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“, „Auf der Mauer, auf der Lauer“ oder „Ein Männlein steht im Walde“ auch eine Reihe eher unbekannte zu finden sind.

Viele Lieder wurden, wohl eigens für das Projekt, neu eingerichtet. Eine solche Invasion zur melodiösen Selbstvergewisserung prallt hart auf den Status quo, von überalterten Laienchören und weitverbreiteter Singeunlust beziehungsweise Ungeübtheit. Aber es muß schließlich ein Anfang gemacht werden, um vielleicht doch zum Zustand des gelassenen Menschen wieder zu gelangen, dessen Wirken von Gesang begleitet wird. Mit Willkür ist das nicht zu schaffen, aber ein unausgesetztes Tröpfeln höhlt schließlich das härteste Gestein. Oft genug werden kleine Revolutionen von vereinzelten Bestrebungen ins Werk gesetzt.

Das Beispiel jedenfalls ermuntert, und möglicherweise ist die Initiative bereits das Symptom einer neuen Einstellung zum Singen in der Familie.

KInderlieder: Liederbuch inklusive Mitsing-CD Carus-Verlag, Stuttgart www.liederprojekt.org

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen