© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Meldungen

Büchners Scheitern als Sozialrevolutionär

MADISON. Als Nachhall des sozialrevolutionär eingefärbten Naturalismus und des von seinen Protagonisten um 1900 inszenierten Kults um den 1836 früh verstorbenen hessischen Dramatiker und Erzähler wurde 1923 erstmals der Georg-Büchner-Preis vergeben. Der damit einst verbundene Anspruch, gesellschaftskritische Dichtung im Sinne Büchners zu fördern, hat nach 1945 die Darmstädter Juroren aber immer weniger motiviert und hat, blickt man nur auf die diesjährige Preisträgerin Felicitas Hoppe und ihre Vorgänger der letzten zehn Jahre, keine Rolle mehr gespielt. Wie die Münchner Germanistin Patricia Czezior darlegt, fand jedoch schon bei Büchner revolutionäres Wollen nur inadäquate literarische Umsetzung. Denn Der Hessische Landbote, eine 1834 zusammen mit dem Butzbacher Rektor Friedrich Ludwig Weidig entworfene und heimlich verbreitete, Landlose, Handwerker und Tagelöhner agitierende Flugschrift, verfehlte seine kaum alphabetisierte Zielgruppe fast vollständig. Diese politische Gebrauchsliteratur konnte in der Unterschicht aufgrund fehlender Vorbildung nicht rezipiert werden, da sie zwar bei deren materiellem Elend als Hebel für den Volksaufstand ansetzte, aber falsche Zukunftshoffnungen weckte. Nicht den nach demokratischen Grundsätzen geeinten Nationalstaat, sondern rasche Befriedigung ihrer materiellen Bedürfnisse erwarteten die Massen von einer Volkserhebung. Die ausgebliebene Resonanz für seine soziale Protestschrift sei mithin Folge „fehlender Deckungsgleichheit“ zwischen ihren bürgerlichen Verfassern und den „in einer Kultur der Schriftlichkeit weniger geübten Landarbeitern“ (Monatshefte für deutschsprachige Literatur und Kultur, 2/2012). (wm)

www.monatshefte.org

 

Kleist und der schöne Schein der Vergangenheit

HEIDELBERG. Bereits Adam Soboczynski hat in seinem „Versuch über Kleist“ (2007) in der Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“ die starke politische Kontaminierung der Texte des preußischen Dichters Heinrich von Kleist (1777–1811) aufgezeigt. An diese Deutung knüpft eine Studie Sebastian Weirauchs (Aachen), der zufolge Handlung und Personal der Erzählung die politisch-ästhetische Botschaft des „Ganzheitsphantasmas eines organischen Staats“ vermitteln (Euphorion, 2/2012). Als unsicheres Resultat unpräziser Analyse scheint Weirauch Kleist vorzuwerfen, mit diesem Text an absolutistischen Ordnungsmustern festhalten zu wollen. Denn die „revolutionären Versprechungen moderner Verfassungen, durch ein bürgerliches Recht die Bindungen der Gemeinschaft überwinden zu können“, blieben in seinem imaginären St. Domingo „unerfüllt“. Daß soziale und politische Ordnungen von Menschen verändert werden könnten, erahnten die Kleistschen Charaktere zwar, aber sie blieben dennoch „der Vergangenheit und deren schönem Schein verbunden“. (ft)

 

Deutscher Sprachpreis für Peter Härtling

Kassel. Der Schriftsteller Peter Härtling ist mit dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache ausgezeichnet worden. Vergeben wird der Preis vom Dortmunder Verein Deutsche Sprache und der Stiftung des Baden-Badener Bauunternehmers Eberhard Schöck für besondere Verdienste um die deutsche Sprache. Der 79jährige Lyriker, Erzähler und Kinderbuchautor Härtling erhielt die Auszeichnung vergangenen Samstag in Kassel. (tha)

www.vds-ev.de

 

Sprachpranger

Man at work / Man Think Tank / Man Projects

Kapitelüberschriften im Magazin der in München ansässigen MAN Gruppe

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