© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Frisch gepresst

Nicolai Hartmann. Der 1882 in Riga geborene, im Oktober 1950 in Göttingen verstorbene Philosoph Nicolai Hartmann galt unter Zeitgenossen neben Martin Heidegger als der bedeutendste Denker Deutschlands. Heute ist er so vergessen, daß der im baltischen Deutschtum verwurzelte Gelehrte mitunter als in „Lettland“ geboren oder gar als „lettischer Philosoph“ figuriert. Solche Arabesken stehen am Ende einer obstinaten Traditionsverweigerung, die zu Lasten Hartmanns ging und zugunsten der Adorno, Benjamin, Cassirer et al. ausfiel. Ein Stück ausgleichende Gerechtigkeit stellen daher die gedruckten Vorträge einer internationalen, im März 2011 in Wuppertal abgehaltenen Konferenz zum Werk Hartmanns dar, die nun im alten Stammverlag des Philosophen erschienen sind. Hartmann als historische Gestalt, im Kontext des „Zeitalters der Extreme“, das er seit 1931 auf einem Lehrstuhl in Berlin erlebte, kommt in diesem Band indes nicht vor. Der Zugriff auf ihn, der sich selbst als ahistorischen „Problemdenker“ verstand, ist vielmehr durchgehend „systematisch“ und arbeitet sich an der Kategorienlehre, dem Wissenschaftsbezug seiner „Neuen Ontologie“ und philosophischen Anthropologie ab, um mit recht geschichtsfernen Betrachtungen zu „Sphären der Geschichtlichkeit“ in seinem Schaffen sowie mit etwas hilflosen Bestimmungen der Aktualität Hartmanns zu enden. (wm)

Gerald Hartung u. a. (Hrsg.): Von der Systemphilosophie zur systematischen Philosophie – Nicolai Hartmann. Verlag Walter de Gruyter, Berlin 2012, gebunden, 435 Seiten, 109,95 Euro

 

Demographie. Der an Thilo Sarrazin angelehnte Titel seiner Streitschrift „Deutschland gibt sich biologisch auf“ will Hoffnung kaum mehr sprießen lassen. Franz Harders Analyse der demographischen Katastrophe, die sich bei uns seit den Siebzigern abzeichnet und der jetzt mit einer hilflos anmutenden „Demographiekonferenz“ auf den Grund gegangen werden soll, geht sogar über jene Herwig Birgs noch hinaus. Bereits mit der auf Adenauers Hinweis („Kinder kriegen die Leute immer“) gründenden Rentenreform von 1957 sei ein Keim der heutigen Misere gelegt worden. Um nicht nur die kommende Alterssicherung sicherzustellen, sondern auch Anreize für eine demographische Umkehr zu bieten, schlägt Harder das durchaus schlüssige Konzept einer „kinderbezogenen Elternrente“ vor. (bä)

Franz Harder: Deutschland gibt sich biologisch auf. Demographie als Überlebensfaktor. Förderkreis für deutsche Geschichte, Emmelshausen 2012, broschiert, 64 Seiten, 8,80 Euro

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