© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Weniger EU als Ziel
Bundestagswahl: Die Freien Wähler um Chef Hubert Aiwanger und Spitzenkandidat Stephan Werhahn präsentieren sich als bürgerliche Protestpartei
Johannes Sondermann

Das Wahlziel der Freien Wähler für die Bundestagswahl lautet „Fünf Prozent plus X“. Dies hat ihr Bundesvorsitzender Aiwanger in der vergangenen Woche in Berlin verkündet.

Wie dies gelingen soll, machte der designierte Spitzenkandidat Stephan Werhahn (59) deutlich, der einen Rückbau der Europäischen Union zu einem Bund souveräner Staaten ins Spiel brachte. Dieses sei eine Alternative zur Entfremdung der Wähler vom Zentralismus der EU. Ferner wandte sich der Enkel Konrad Adenauers, der mit diesem Pfund nicht wuchern will, gegen die Politik der Rettungsschirme sowie eine Umverteilung von Norden nach Süden, die nicht funktionieren könne. Die Politik eines gekauften Mentalitätswandels, wenn Deutschland
etwa Griechenland Geld gibt, um dessen Steuermoral heben zu wollen, halte er für fatal. Er sprach sich zudem für eine Abschaffung der Praxisgebühr aus und erklärte seine Bereitschaft, seine Nebeneinkünfte offenzulegen. Auf die Frage, mit wem man koalieren wolle, antwortete Werhahn, der erst im Juni von der CDU zu den Freien Wählern kam, nur mit dem Verweis, in einer bürgerlichen Koalition würden die Freien Wähler darauf achten, daß die europäischen Verträge eingehalten würden.

Außerdem mahnte der Bankier, eine Bankenregulierung dürfe nicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) erfolgen, da es nicht angehe, deutsche Gelder in europäische umzudeklarieren. Gefragt nach einer konkreten Wahlkampfstrategie meinte Werhahn, der als politische Erfahrung vierzig Jahre Mitgliedschaft in der CDU angiebt, irgendwann würden die Wähler erkennen, daß mit den Rettungsschirmen Geld in ein Faß ohne Boden geworfen werde: „Wir warten auf den Zahltag.“

Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT antwortete der Rechtsanwalt, die Freien Wähler beteiligten sich nicht an der Klage der Zivilen Koalition, die Teil der Unterstützergruppe „Wahlalternative 2013“ ist, gegen den Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof, da er mit einer Ablehnung der Klage rechne.

Inhaltlich ergänzte der Bundesvorsitzende Aiwanger in unverkennbarem bayerischen Kolorit zur Koalitionsfrage, Merkel sei erst im Mai 2010 vor der Bankenlobby zugunsten einer Rettungsschirmpolitik eingeknickt. Die Freien Wähler forderten dagegen einen Schuldenschnitt statt neuerlicher 32 Milliarden Hilfsgelder für Griechenland, wovon tatsächlich nur Goldman Sachs profitiere. Der Fiskalpakt bestehe zudem nur auf dem Papier. Aiwanger ist sich sicher, daß auch der permanente Rettungsschirm ESM nicht das letzte Wort ist. Zahlungen sollten daher nur erfolgen, wenn sie unabdingbar seien.

Die Freien Wähler seien „modern wertkonservativ“, weil sie einerseits die Familie als Wert hochhielten, andererseits aber auch für staatliche Kindereinrichtungen seien. Aiwanger betonte, die Definition des Begriffes Rechtspopulismus, gegen den sich die Freien Wähler wenden, überließen sie anderen. Werhahn brachte es auf den Punkt: Man stehe in der Mitte. Beim Begriff des Extremismus beziehen sich die Freien Wähler laut Aiwanger eher auf die Definition des Verfassungsgerichts für verfassungswidrig als auf den des Verfassungsschutzes. Man könne nicht Mitglied der Freien Wähler werden, wenn man einmal in einer extremistischen Partei Mitglied gewesen sei, stellte der Parteichef klar. Keine leeren Worte: Die Landesverbände von Brandenburg und Bremen waren 2009 „nach Anzeichen für eine rechte Unterwanderung“ ausgeschlossen worden.

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