© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Brüssels Griff nach dem Sparer-Gold
Euro-Krise: Die EU will auch die Mittel der Einlagensicherung von Sparkassen und Volksbanken vereinnahmen
Wilhelm Hankel

In der Euro-Krise stehen nicht nur Staaten, sondern auch Banken vor dem Aus. Und auch hier soll das Heil durch „mehr Europa“ kommen. Um die gefährdeten Spareinlagen bei südeuropäischen Instituten abzusichern, plant die Brüsseler Kommission ein EU-weites Schutzsystem: Alle Banken im Euro-System sollen künftig für alle haften – also auch die Sparkasse am Niederrhein und die Raiffeisenbank in der Oberpfalz für Banken auf Kreta und in Andalusien.

Und was kommt als nächstes ins Visier? Die in der Inventur befindlichen Goldreserven der Bundesbank? Der private Goldbesitz? Immobilieneigentümer wurden nach dem Ersten Weltkrieg mit dem „Reichsnotopfer“ sowie der Hauszinssteuer und nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Lastenausgleichsgesetz zur Kasse gebeten. Zunächst wurde der Steuerzahler in Haftung genommen, nun muß offenbar der Sparer sein Scherflein zur Rettung des Euro leisten. Nach dem schweren Reinfall mit dem Euro braucht man immer neue Geldquellen, um seine „alternativlose“ Rettung zu finanzieren.

Doch woher nehmen? Der Schlüssel dafür ist: Wer das meiste hat, der zahlt auch am meisten. Laut Angaben der Bundesbank betrug allein das Geldvermögen der deutschen Privathaushalte im zweiten Quartal dieses Jahres 4.811 Milliarden Euro – 1.971 Milliarden Euro waren Bargeld und Sichteinlagen sowie Termin- und Spareinlagen. Die Deutschen müssen daher tief in die Tasche greifen. Allein der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) schlägt mit 190 Milliarden Euro zu Buche. Da das nicht einmal für Griechenland ausreicht – demnächst kommen wohl weitere Länder dazu –, könnten es auch ein paar hundert Milliarden Euro mehr werden. Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) laut Aussagen von ihrem Chef Mario Draghi bereit ist, das „Äußerste zu tun“, um den Euro-GAU zu verhindern und ihre Geldmaschine bereits auf hohen Touren läuft, müssen die dennoch alle vorhandenen Rettungsreserven eingesetzt und ausgeschöpft werden.

Bei Deutschlands großen Privatbanken ist nichts zu holen. Sie sind, als Folge der von ihnen mitverursachten Krise, hoffnungslos unterkapitalisiert. Keine erreicht die vorgeschriebene Eigenkapitalquote von neun bis zehn Prozent. Viel besser stehen die bürgernahen Sparkassen und Genossenschaftsbanken da. Beide Säulen des deutschen Kreditgewerbes verfügen über solide Einlagensicherungen. Die Volks- und Raiffeisenbanken haben das älteste, die Sparkassen das effizienteste Sicherungsystem. Und sie mußten ihre Reserven selten angreifen.

Sollte es zur Pleite einer Sparkasse kommen – es gab zwei Fälle in einem halben Jahrhundert, denn Sparkassen wie Volksbanken halten sich an ihren Auftrag und spekulieren nicht global wie Investmentbanken und deren Fonds –, dann stehen außer der Nachbarschaftshilfe durch Zusammenlegung (jederzeit mögliche Fusionen) ein gutes Dutzend regionaler Feuerwehrfonds (neben je einem für Bausparkassen und Landesbanken) bereit, um die Spareinlagen ihrer etwa 50 Millionen Kunden vor dem Verfall zu sichern. Diese Sparer haben in dieser Krise gelernt, was sie an ihren Sparkassen haben und hatten. Sie wissen, warum sie sich trotz der Verlockung durch höhere Zinsen und Renditen anderswo entschlossen haben, Kunden der regionalen Institute zu bleiben.

Diese Sicherheit ist bedroht: Mit der geplanten Euro-Bankenunion – dem Risikoausgleich zwischen noch gesunden Banken und den todkranken der südlichen Euro-Zone – sollen nicht nur die bestehenden gesetzlichen Sicherungssyteme europäisiert, sondern auch die freiwilligen und zusätzlichen der einzelnen Institutsgruppen in diesen Lastenausgleich einbezogen werden. Wenn schon Haftungsunion, dann aber gründlich, heißt die Parole aus Brüssel. In der Euro-Krise gelten inzwischen bekanntlich weder Verträge noch Prinzipien, auch die „Subsidiarität“ – wer sich selber hilft, braucht keine Hilfe von oben – scheint nicht mehr zeitgemäß.

In der Euro-Krise geht es aber nur noch um eines: genügend Zahler, Bürgen und Garanten zu finden, um deren Mittel konfiszieren zu können. Die Totalpleite der Euro-Währung muß aufgehalten werden, „koste es, was es wolle“, wie der portugiesische EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso formulierte – auch wenn sich das Ende nicht verhindern läßt.

Doch dieser Kurs bringt den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Georg Fahrenschon, in ein Dilemma: Als CSU-Politiker und ehemaliger bayerischer Finanzminister glaubt er, „es lohnt sich, für einen stabilen Euro zu kämpfen“. Andererseits ist er Sachwalter von 600 Instituten und deren Millionen Kunden. Und daher verteidigt er die gute Sache der Sparkassen mit den schlechtesten „Argumenten“. Etwa der von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück gebetsmühlenhaft vorgetragenen Mär, Deutschlands Exportwirtschaft brauche den (abgewerteten) Euro, um gute Geschäfte zu machen. Doch das Gegenteil ist richtig: Die deutsche Volkswirtschaft macht schlechte Geschäfte, wenn sie „Made in Germany“ unter Wert verkauft und gleichzeitig für Importe überhöhte Euro-Preise zahlen muß.

Es darf auch nicht darum gehen, einen „Altlastenfonds“ zu gründen, damit andere als die Sparkassen-Kunden die Euro-Zeche bezahlen. Europa darf weder mit dem Heiligen Augustinus zur „Räuberbande“ entarten, eine Gefahr, die droht, wenn es Gesetze nicht mehr beachtet, sondern verhöhnt. Und es muß Schluß sein, mit der Ausweitung der Haftung für Fehler, Versagen und Verluste Dritter, denn sonst kommen nach den Rücklagen für Sparer ihre eigenen dran.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war Chef der deutschen Bank- und Versicherungsaufsicht. Er leitete unter Minister Karl Schiller die große Bankenenquete, aus der die deutsche Einlagensicherung hervorgegangen ist.

www.dr-hankel.de

 

Deutsche Einlagensicherung

Fast zwei Billionen Euro ihres insgesamt über 4,8 Billionen umfassenden Geldvermögen halten die Privathaushalte in Form von Bargeld und Einlagen bei Sparkassen oder öffentlichen, genossenschaftlichen und privaten Banken. Die Sichteinlagen auf Girokonten, Termingelder, Spareinlagen und Sparbriefe unterliegen dabei einer gesetzlichen und einer freiwilligen Einlagensicherung. Die gesetzliche Sicherung beträgt 100.000 Euro pro Kunde und Institut. Privatbanken sichern ihre Kundengelder über den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), die Höhe ist institutsabhängig. Alle öffentlich-rechtlichen Sparkassen, Landesbanken und Landesbausparkassen sowie die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken gehören eigenen Einrichtungen an. Bislang hat daher noch nie einer ihrer Kunden einen Verlust seiner Spareinlagen erlitten.

Einlagensicherung von privaten, genossenschaftlichen und öffentlichen Instituten:

www.bankenverband.de

www.bvr.de

www.dsgv.de

Foto: Frankfurter Sparkasse: Seit 1948 hat kein Kunde einer Sparkasse oder Volks- und Raiffeisenbank den Verlust seiner Spareinlagen erlitten

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