© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Kaiserliche Traditionen
Ausstellung in Magdeburg: „Otto der Große und das Römische Reich“
Ekkehard Schultz

Die aktuelle Landesausstellung im Magdeburger Kulturhistorischen Museum, die sich dem Thema „Otto der Große und das Römische Reich – Kaisertum von der Antike zum Mittelalter“ widmet, ist der dritte und letzte Teil einer Ausstellungstrilogie. Begonnen hatte es 2001. In der damaligen Europaratsausstellung stand die Auseinandersetzung mit der Person des Kaisers und seiner Zeit im Vordergrund. 2006 folgte die Präsentation zum „Heiligen Römischen Reich“, in der die Weiterentwicklung des von Otto I. begründeten transnationalen Staatswesens bis zu dessen endgültiger Auflösung 1806 dargestellt wurde. Jetzt liegt in der Schau „Otto der Große und das Römische Reich“ der Fokus auf den römischen Kaisertraditionen seit Caesar und Augustus. Denn dies waren die Grundlagen, auf die sich der Ottone berief und auf die er seine Regentschaft und sein Staatswesen stellte.

Gegliedert ist die Ausstellung in fünf Kapitel. Im ersten wird die Entstehung des römischen Kaisertums geschildert. Sie begann mit Julius Cäsar, von dem sich die Titel Zar und Kaiser herleiten. Cäsar versuchte eine Alleinherrschaft durchzusetzen, wurde jedoch ein Opfer seiner politischen Gegner. Der spätere Ruhm beruhte nicht zuletzt auf seiner frühen Ermordung. Als Nachkomme des „Göttlichen“ gelang es dessen Großneffen, dem späteren Kaiser Augustus, zahlreiche Ämter in einer Hand zu vereinigen. Zu ihnen zählten die Funktionen als religiöses Oberhaupt, als weltlicher Herrscher sowie als oberster Kriegsherr. Die Aneignung dieser Machtfülle gilt als die eigentliche Geburtsstunde der kaiserlichen Tradition.

Bereits im zweiten Jahrhundert hatte das Römische Reich eine zu große Ausdehnung erreicht, als daß ein Kaiser an allen Konfliktherden gleichzeitig präsent sein konnte. Deswegen bildete sich ein Herrschaftsmodell mit zwei Senior- und zwei Juniorkaisern heraus (Tetrarchie). Dieses System wurde erst vom späteren Kaiser Konstantin wieder durchbrochen, dem es gelang, in der Schlacht an der Milvischen Brücke bei Rom von 312 seinen Gegenspieler Maxentius zu besiegen. Den Sieg sah der Gewinner als das Resultat einer Unterstützung durch die himmlischen Heerscharen an. Auf diese Weise wurde das Christentum fortan zur Staatsreligion erhoben. Kaisertum und Christentum gingen nunmehr eine enge Verbindung ein.

Ein weiteres Kapitel der Ausstellung ist dem byzantinischen Kaisertum gewidmet. Nach der zunehmenden Erschütterung des Römischen Reiches durch die Völkerwanderung und die Unfähigkeit zu inneren Reformen zerfiel das sogenannte Westrom. Dagegen konnten in „Ostrom“ – dem nunmehrigen Byzanz – die alten Traditionen fortgesetzt werden. Zu ihnen zählte etwa die Wahl und Akklamation der Kaiser durch Heer, Volk und Senat.

In den Nachfolgegebilden des alten Westroms erfolgte dagegen erst mit der Krönung von Karl dem Großen durch Papst Leo III. eine Wiederbelebung des Vergangenen. Die Vorbereitung dieses Schrittes war bereits unter Papst Stephan II. erfolgt, der die Unterstützung des Vaters von Karl, Pippin, in den Auseinandersetzungen mit den Langobarden benötigte. Als Karl der Große 774 das Reich der Langobarden endgültig erobert hatte, war er in Rom als Schutzherr empfangen worden. Mit der Krönung Karls wurde nach einer mehr als 300 Jahre dauernden Unterbrechung dem byzantinischen Kaisertum wieder eine höchste Autorität im Westen des europäischen Kontinents entgegengesetzt.

Schließlich wurde der Kaisertraum vom ostfränkischen Herrscher Otto dem Großen im Jahre 962 erneut zur Realität. Zuvor war es den römischen Adelsfamilien über einen Zeitraum von fast vierzig Jahren gelungen, eine erneute Krönung zu verhindern. Mit der Durchsetzung dieses Schrittes wurde sowohl die Rom- als auch die Papstidee wieder aufgegriffen. Die Strahlkraft des Christentums war im ottonischen Reich so groß, daß bald nach seiner Errichtung auch jenseits seiner Grenzen mehrere Herrscher zum Christentum konvertierten, unter anderem der dänische König Harald Blauzahn.

Zwar wurde von den Ottonen zunächst kein Gebrauch von dem Römer-Titel gemacht. Dies war ein Signal dafür, daß der Vorrang des byzantinischen Kaisers noch akzeptiert wurde. Seit 997 (Otto III.) wurde jedoch in den Protokollen der Kaiserurkunden regelmäßig auch dieser Titel präsentiert, und damit unmittelbar die Gleichrangigkeit symbolisiert.

Zu den interessantesten Stücken unter den rund 350 Objekten in der Ausstellung zählen die Insignien des Kaiser Konstantin unterlegenen Maxentius, die 2005 in einem Park in Rom gefunden wurden und erstmals in Deutschland gezeigt werden. Es handelt sich um drei Zepter und verschiedene Lanzenspitzen. Bislang war in der Literatur zwar von solchen Insignien die Rede, doch originale Stücke dieser Art fehlten. Weitere herausragende Objekte sind ein Psalter Lothar I., ein Gebetsbuch Karls des Kahlen sowie eine Bronzekugel vom vatikanischen Obelisken.

Die Geschichte wird in der Landesschau in einer gut verständlichen und äußerst kurzweiligen Form präsentiert. Dazu tragen neben den aus aller Welt zusammengetragenen Stücken auch das übersichtliche Kartenmaterial sowie die anschaulichen Rekonstruktionen von antiken Gebäuden und Orten bei. Auch an den Nachwuchs wurde gedacht. Für ihn stellt die zur Ausstellung entwickelte Erzählung „Felix und das Geheimnis der Kaiserkrone“ eine gute Alternative zum herkömmlichen Katalog dar.

Die Ausstellung „Otto der Große und das Römische Reich“ ist bis zum 9. Dezember im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, Otto-von-Guericke-Straße 68-73, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 03 91 / 5 40 35 01

www.khm-magdeburg.de

Foto: 3. Kaisersiegel Ottos des Großen: Nach seiner Krönung zum Kaiser im Jahr 962 ändert sich das Siegelbild Ottos des Großen. Während er zuvor noch kriegerisch mit Fahne und Schild auftritt, ist der Kaiser nun mit Krone, Langzepter sowie Globus dargestellt und verweist somit auf den universalen Anspruch seiner Herrschaft. Durch die Titulatur OTTO IMP(erator) AVG(ustus) stellt er sich bewußt in die Tradition des ersten römischen Kaisers der Antike

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